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Donnerstag, 25. Dezember 2014

Frohe Weihnachten!

Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern frohe, gesegnete Weihnachten sowie einen guten und gesunden Start ins neue Jahr! Ich hoffe, ihr habt gestern einen schönen und besinnlichen Heiligen Abend verbracht und konntet im Kreise eurer Lieben dem stressigen und hektischen Alltag für ein paar Stunden entkommen.

Gleichzeitig möchte ich mich für die Zeit des Stillstands und meiner Inaktivität hier entschuldigen. In den letzten Wochen und Monaten hat sich bei mir einiges getan und ich hatte mich um diverse Dinge zu kümmern. Letztenendes kann ich beim überwiegenden Teil dieser Angelegenheiten zwar mit dem Ergebnis zufrieden sein und bin froh, dass es in meinem Leben ein Stück vorwärts gegangen ist. Aber der Aufwand und die Anstrengungen, die ich des Öfteren aufzubringen hatte, haben alles in allem doch einiges an Kraft, Nerven und Zeit gekostet. Daher darf das neue Jahr gerne etwas weniger hektisch und stressig sein.

Auf ein gutes Jahr!

Sonntag, 17. August 2014

3 Chinesen mit dem Kontrabass

Wie ich vor kurzem bereits erwähnt habe, schaue ich ab und an in der Statistikecke meines Blogs vorbei. Dort kann ich mir z.B. anzeigen lassen, wie viele Besucher jetzt gerade, heute, diese Woche, diesen Monat oder bisher insgesamt meine Seiten aufrufen bzw. aufgerufen haben und aus welchen Ländern meine Gäste so kommen.

Als ich mir neulich die aktuellen Zahlen angesehen habe war ich doch etwas erstaunt. Denn in der Übersicht wurden (und werden auch heute noch) neben den anderen Besucherzahlen 13 Seitenaufrufe aus Lettland und 7 aus der Republik Korea angezeigt. Und im Verlauf der letzten Woche sind unter anderem 13 Aufrufe aus Hongkong hinzu gekommen, aus denen bislang gar 29 geworden sind.

Ich gebe zu, dass mich bezüglich dieser Zahlen ein paar Dinge durchaus interessieren würden. So würde ich gerne wissen, wer in Ländern wie Lettland und Hongkong einen deutschsprachigen Blog (und dabei gerade meinen!) aufruft und wie diese Besucher auf meine Seiten gelangt sind. Sind es Deutsche, die sich gerade dort aufhalten? Oder sind es Besucher, die zumindest des Deutschen mächtig sind und hier mitlesen? Oder handelt es sich vielleicht eher um Gäste, die eigentlich etwas ganz anderes im World Wide Web gesucht haben und dabei rein zufällig bei mir im Wohnzimmer gelandet sind? Fragen, auf die ich wahrscheinlich keine Antworten bekommen werde. Wie auch auf die Frage, ob die 29 Seitenaufrufe aus Hongkong durch ein paar Wenige zustande kamen, die zusammen 29 Mal geklickt haben, oder durch 29 einzelne Aufrufe von Besuchern, die hierher gefunden haben.

Was ich aber definitiv sagen kann ist, dass ich zumindest bei dem bekannten Kinderlied lieber bei den 3 Chinesen mit dem Kontrabass bleibe!

Sonntag, 3. August 2014

Von diesem und jenem

Seit vier Wochen habe ich keinen Eintrag mehr veröffentlicht. Das liegt zum einen daran, dass bislang nicht sonderlich viel passiert ist, was man in einem Blog unbedingt hätte festhalten müssen. Und zum andern hatte ich mich nach der Reha um ein paar Dinge zu kümmern, die mitunter etwas Zeit in Anspruch genommen haben.

So bin ich z.B. zwei Tage nach meiner Rückkehr aus Konstanz zur für mich zuständigen Dienststelle der Agentur für Arbeit gefahren und habe mich dort arbeitslos und arbeitssuchend gemeldet. Diese Meldung war notwendig geworden, weil man mich als "arbeitsfähig" aus der Rehaklinik entlassen hat und ich für die Zeit nach Konstanz keine Stelle in Aussicht hatte. Von der Dame, die mich betreute, habe ich erfahren, dass ich noch einen Restanspruch von 197 Tagen auf das Arbeitslosengeld I habe. Das hatte ich bisher nicht gewusst und war davon ausgegangen, ich müsse unmittelbar nach der Reha Hartz IV beantragen. Dass dem nicht so ist kann mir natürlich nur recht sein. Vor kurzem ist mein Antrag auf ALG 1 in den Briefkasten gewandert und ich gehe davon aus, dass ich innerhalb der nächsten 14 Tage einen positiven Bescheid von der Arbeitsagentur bekommen werde.

Von Dezember 2012 bis zum Ende meiner Reha war ich ohne Unterbrechung arbeitsunfähig krankgeschrieben und habe von meiner Krankenkasse Monat für Monat Krankengeld bezogen. Anfangs war es ganz nett, morgens nicht aufstehen zu müssen und sich den Tag weitestgehend frei einteilen zu können. Aber irgendwann merkt man schon, dass ein geregelter Arbeitsalltag durchaus seine Vorteile hat und man sich mit einem deutlich besseren Gefühl einen Kontoauszug bei der Bank besorgt. Deshalb habe ich nicht viel Zeit verstreichen lassen, als ich wieder zuhause war, und habe voller Tatendrang mein Anschreiben und meinen Lebenslauf auf Vordermann gebracht. Drei oder vier Bewerbungen sind bisher im Briefkasten gelandet und ich bin gespannt, ob sich jemand bei mir meldet. Chancen rechne ich mir schon aus, denn meine Prüfungszeugnisse können sich durchaus sehen lassen!

Beim Pramipexol, das ich seit meiner Entlassung aus der Uniklinik Heidelberg einnehme, bin ich inzwischen bei einer Einzeldosis von 1,05 mg und einer Tagesgesamtdosis von 3,15 mg angelangt. Die Substanz hat meinen Zustand durchaus ein wenig positiv beeinflusst, das ist nicht nur mir aufgefallen. So kann ich z.B. meine rechte Hand und deren Finger beim Ausfüllen von Formularen und beim Schuhebinden etwas besser und gezielter einsetzen, wodurch mir solche Dinge insgesamt leichter fallen. Und auch meine Sprache ist etwas klarer und deutlicher geworden.

Was mich im Moment allerdings ziemlich nervt ist mein Gedärm. Seit einiger Zeit kann ich nicht mehr einfach das essen, worauf ich gerade Lust habe und manches, was ich bisher noch problemlos vertragen habe, macht mir jetzt plötzlich Probleme. Vollmilchschokolade und gut gewürzte Speisen z.B. Was mich wundert, denn bislang hatte ich weder mit dem einen, noch mit dem anderen ungute Erfahrungen gemacht. Neuerdings kann es passieren, dass ich kurze Zeit nach deren Verzehr intensive und unangenehme Magenschmerzen bekomme, die ich so nur von meinem Reizdarm kenne. Ab und an wird das Ganze von Darmwinden begleitet, mit deren Hilfe die NASA vermutlich ein ganzes Space Shuttle ins All schießen könnte. Und zu guter Letzt haben sich auch meine Toilettengewohnheiten verändert.

Es gibt eindeutig Themen, über die ich lieber schreibe als über meine nervigen Verdauungsprobleme. Aber zurzeit gehören eben auch solche Dinge zu mir und meiner Erkrankung dazu und ich möchte mich lieber ehrlich mit ihnen auseinandersetzen, anstatt sie einfach unter den Tisch fallen zu lassen.

Also: In der Regel vergeht zwischen der Nahrungsaufnahme und dem Gang zur Toilette eine gewisse Zeit, während der die einzelnen Nahrungsbestandteile im Körper aufgespalten und verdaut werden. Diese Zeitspanne ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich lang, und längst nicht jeder geht täglich zur Toilette. Seit ich mich daran erinnern kann ist es bei mir so, dass ich meiner Verdauung einmal am Tag nachgebe und dann für den Rest des Tages Ruhe habe. Doch seit einiger Zeit ist es manchal so, dass ich plötzlich das Bedürfnis verspüre, ein zweites Mal die Toilette aufzusuchen, obwohl ich seit dem ersten Ausflug dorthin kaum etwas gegessen habe. Das ist zwar absolut neu für mich, wäre aber kein großes Dilemma, wenn es nur darum ginge, wie ein normaler Mensch zur Toilette zu gehen. Geht es aber nicht.

Beispiel: Einige Tage vor meiner Reha waren wir zu fünft beim Mongolen essen. Ich bin gerne dort, denn das Essen ist wirklich gut und das Personal sehr freundlich und bemüht. Wenn man zum Buffet dort hin geht, kann man sich für einen festen Preis so oft man möchte an den nebeneinander aufgereihten Bottichen bedienen. Egal ob Gemüse, Fisch, Fleisch, Saucen, Desserts und so weiter. Es wird stets für Nachschub gesorgt und wer mag, kann sich auch rohen Fisch auf den Teller legen und ihn vom Koch frisch braten lassen. Für jeden ist also etwas dabei. Auch diesmal waren nach dem Essen alle satt und zufrieden und auch Sam (der Beagle meiner Mutter) hat sich unter dem Tisch ordentlich Leckereien zustecken lassen. Die anschließende Rückfahrt war dann jedoch weniger angenehm. Von einem Moment auf den anderen bekam ich intensive Magenschmerzen. Es fühlte sich an, als würde jemand mit einem heißen, scharfen Messer in meinem Unterbauch herumschneiden und meine Begeisterung wuchs noch weiter an, als kurze Zeit später ein schwer zu unterdrückender Stuhldrang einsetzte. Insgeheim hoffte ich, meine Mutter würde den plötzlich vorhandenen Schalter zur Aktivierung der Lichtgeschwindigkeit betätigen und mich innerhalb der nächsten 60 Sekunden zuhause absetzen. Doch statt dessen zog sich die Fahrt über die Ortschaften und Landstraßen und ich war mir nicht sicher, ob ich die Toilette daheim rechtzeitig erreichen würde.

Um es gleich vorweg zu nehmen: Ja, ich habe es rechtzeitig geschafft. Gerade so. Ich habe sozusagen eine Punktlandung hingelegt und keine 30 Sekunden gebraucht, um das Auto zu verlassen, die Haustür aufzuschließen, die Treppe hoch zu eilen und die Tür des Badezimmers hinter mir zu schließen.

Seitdem ist mir so etwas noch nicht wieder passiert. Aber nach wie vor ist es oft so, dass ich den Toilettengang nicht lange aufschieben kann, wenn mein Darm Lebenszeichen von sich gibt. Innerhalb weniger Minuten wird der Drang so groß dass ich gezwungen bin, ihm nachzugeben. Sicher wüsste ich gerne, weshalb meine Verdauung in den letzten Monaten so empfindlich geworden ist. Ist es möglicherweise eine Nebenwirkung des Pramipexols? Oder vertrage ich bestimmte Nahrungsmittelbestandteile nicht mehr so gut? Ist der Darm aufgrund meiner Erkrankung anfälliger geworden? Vielleicht spielt mein Reizdarm eine Rolle? Ich weiß es nicht und werde meinen Hausarzt um Rat fragen, wenn ich ihn wieder sehe.

Wie bereits erwähnt schreibe ich am liebsten über angenehme Dinge, über die man sich freuen kann. So ist mir z.B. nicht entgangen, dass der Besucherzähler meiner Seite während meines Reha-Aufenthalts in Konstanz vom drei- in den vierstelligen Bereich umgesprungen ist. Wobei mir die Blog-Statistiken incl. der aktuellen Besucherzahl ehrlich gesagt gar nicht so besonders wichtig sind. Natürlich freue ich mich über jeden Besucher, der auf meinen Seiten zu Gast ist. Und gelegentlich besuche ich auch den Bereich "Statistiken" und sehe mir ein paar Zahlen über meinen Blog an. Aber ich schreibe meine Einträge nicht mit dem Ziel, dass der Zähler irgendwann eine bestimmte Zahl anzeigt. Mir bedeutet es viel mehr, meine Gedanken und Emotionen durch die Schreiberei ein wenig ordnen und auch etwas verarbeiten zu können. Auch wenn mir das kaum bewusst war, als ich Ende März mit dem Bloggen angefangen habe.

Einen kleinen Einblick in die Statistik möchte ich meinen Lesern aber nicht vorenthalten. Die folgende Auflistung gibt die Nationen an,  in denen Internetnutzer meine Seiten bisher aufgerufen haben (in Klammern die Anzahl der Aufrufe, Stand: 03.08.2014, 01:30 Uhr).

- Deutschland (950)
- Vereinigte Staaten (184)
- Ukraine (19)
- Schweiz (16)
- Russische Förderation (15)
- Lettland (13)
- Republik Korea (7)
- Österreich (4)
- Frankreich (3)
- Litauen (3)
- Polen (3)

Sehr gefreut habe ich mich für Mehrad, meinen Bruder im Geiste. Er hat mir vor kurzem erzählt, dass er einen Platz an einer Schauspielschule in einer deutschen Großstadt ergattert und dort mittlerweile auch eine Wohnung gefunden hat. Herzlichen Glückwunsch und Chapeau! Ich kann mir vorstellen, dass der Andrang auf die zu vergebenden Plätze jedesmal ziemlich groß ist und dass nur die wenigsten Bewerber später auch genommen werden. Umso mehr Respekt für diesen Erfolg!

Ebenso freue ich mich, dass ich weiterhin Kontakt mit einigen lieben Leuten habe, die ich während der Reha kennengelernt habe. Ich hatte zuerst die Befürchtung, dass der Kontakt irgendwann im Sande verläuft, doch Gott sei Dank ist dem bisher nicht so. Im Gegenteil. Mit Andrea und Melanie tausche ich z.B. regelmäßig Nachrichten aus und Uli hat mir neulich eine ganz liebe Mail geschrieben. Vielen Dank euch allen! Ich vermisse euch!

Ich weiß zwar nicht mehr, wie ich darauf gekommen bin. Aber da ich ja nun mal Pfälzer bin (und somit das höchste, was ein Mensch werden kann!) kam mir die Idee in den Sinn, einen Blog-Eintrag komplett auf Pfälzisch zu veröffentlichen. Ich stelle mir das durchaus spaßig vor. Klar, natürlich würde ich auch eine hochdeutsche Version für Nicht-Eingeborene einstellen. Aber beim Pfälzischen handelt es sich um einen Dialekt, der gar nicht mal so schwer verständlich bzw. nachzusprechen ist. Die richtige Aussprache und ein gewisser Grundwortschatz prägen sich (vor allem im leicht angeheiterten Weinfest-Zustand!) relativ rasch im Gedächtnis ein. Wie sagt der Pfälzer? Gugge mer mol!

Samstag, 5. Juli 2014

99 Rampen und ein Gentleman

Am letzten Freitag habe ich mit den Damen, mit denen ich regelmäßig Rummikub gespielt habe, einen tollen Nachmittag in Konstanz verlebt, an dessen Ende wir die Bekanntschaft eines wahren Gentlemans gemacht haben. Aber der Reihe nach.

Nach der Wassergymnastik habe ich Andrea auf dem Flur unserer Etage getroffen. Sie erzählte mir, dass sie später mit Ruth und Melanie in die Stadt fahren würde und fragte mich spontan, ob ich nicht Lust hätte, die Damen zu begleiten. Da für den Rest des Tages keine Anwendungen mehr bei mir anstanden und ich mir noch nichts vorgenommen hatte, habe ich mich gerne angeschlossen.

Gegen halb Vier nahmen wir den Bus, der direkt vor der Klinik verkehrt, und waren innerhalb weniger Minuten am Bahnhof im Stadtzentrum, von wo aus wir gemütlich in die Fußgängerzone schlenderten. Nachdem es uns in einen Laden für Seifen und Parfums, einen Drogeriemarkt und ein, zwei weitere Geschäfte gezogen hatte teilten wir uns vor einem größeren Kaufhaus auf. Meine Begleiterinnen zog es in die Sportabteilung des Kaufhauses, während ich eine kleine, aber feine Weinhandlung direkt gegenüber besuchte. Da dort neben diversen Weinen und Schaumweinen auch Essig, Öle, Gewürze, Senf und andere Leckereien angeboten wurden ließ ich mir die Gelegenheit nicht entgehen und erstand einige Geburtstagspräsente und Mitbringsel für meine Lieben daheim.

Nach meinem Einkauf traf ich den Rest der Gruppe wieder. Wir hatten geplant, uns vor der Rückfahrt in die Klinik noch ein nettes Café zu suchen und uns dort einen Cappuccino und ein Stück Kuchen zu gönnen. Das erste Café, bei dem wir einen freien Tisch entdeckten, lag in unmittelbarer Nähe der Weinhandlung. Allerdings hätten wir uns an anderen Tischen und Stühlen vorbeischlängeln müssen, um zu dem Tisch zu gelangen, was mit Andreas Rolli nicht machbar gewesen wäre. Das zweite Café lag recht idyllisch in einem kleinen Hof. Doch obwohl der Rolli knapp durch eine vorhandene Tür passte und Andrea eine Schwelle gekonnt zu Fuß bewältigte scheiterte es letzten Endes daran, dass es keinen Kuchen mehr gab. Beim dritten Café hatten wir schließlich Erfolg. Zwei freundliche Herren waren so nett, uns einen großen Teil ihres Tisches zur Verfügung zu stellen. Als sich einer der beiden wenig später verabschiedete dauerte es nicht lange, bis wir mit dem verbliebenen Herrn ins Gespräch kamen. Weil wir uns über unsere Klinik unterhalten hatten war ihm schnell klar, dass wir alle zur Reha in Konstanz sind. Er erzählte uns, dass er selbst auch an MS erkrankt sei und zwei- bis dreimal die Woche zur ambulanten Behandlung in die Klinik käme. In der Folge entstand eine sehr nette und angeregte Unterhaltung, während der sich unsere Tassen schlückchenweise leerten. Doch da wir uns vorgenommen hatten, rechtzeitig zum Abendessen wieder in der Klinik zu sein, vereinbarten wir, demnächst zu zahlen und allmählich aufzubrechen. Ein paar Augenblicke später hatten sich diese beiden Vorhaben jedoch wieder erledigt. Zu zahlen gab es nichts mehr. Denn unser Gesprächspartner verkündete plötzlich, wir seien eingeladen und unsere Cappuccino gingen auf ihn. Er winkte eine der Bedienungen heran und erklärte ihr auf italienisch, dass er die Getränke an diesem Tisch zahlen würde. Ich wusste nicht, wie es meinen Begleiterinnen gerade erging. Ich für meinen Teil war zunächst etwas perplex ob der überaus netten Geste dieses Gentlemans und habe mich dann artig bedankt. Auch die anvisierte Rückfahrt in die Klinik mit dem nächsten Bus hatte sich erübrigt, da unsere Linie 5 ein paar Meter weiter gerade an uns vorbei fuhr und definitiv nicht mehr zu erreichen war.

In 20 Minuten bot sich die nächste Gelegenheit, pünktlich an der Bushaltestelle zu sein. Bis dahin lehnten wir uns wieder in unsere Stühle zurück und nahmen das Gespräch mit dem netten Herrn wieder auf. Wir erzählten ihm von unseren ersten beiden erfolglosen Versuchen, uns ein Café zu suchen, worauf unser Gegenüber mit der nächsten Überraschung aufwartete. Denn wir hatten es mit dem offiziellen Behindertenbeauftragten der Stadt Konstanz zu tun der uns anbot, das `Sie´ gegen das ´Du´ und ´Stephan´ einzutauschen. Na das passte ja! Drei Damen und der Kümmelspalter berichteten von ihren Erlebnissen in der Konstanzer Innenstadt und bekamen aktuelle Infos aus erster Hand, was der Herr in Amt und Würden für Menschen mit Behinderungen in Konstanz bereits erreicht hat und wo seiner Meinung nach noch Verbesserungspotential vorhanden ist.

Darüber hinaus ist Stephan Initiator des Projekts "99 Rampen". Im Flyer zu diesem Projekt, der auch im Eingangsbereich unserer Klinik ausliegt, heißt es unter anderem:

"Es soll für die Bedürfnisse von Menschen mit Mobilitätseinschränkungen und Behinderungen jeglicher Art, welche sich im öffentlichen Raum bewegen, sensibilisieren. Etawige Missstände sollen erkannt und mit einfachen Mitteln verbessert werden.

Die Teilnahme am Projekt ist freiwillig und wird mit einem Gütesiegel versehen."

Und weiter:

"Informations- und Leitsystem

Die Stadtverwaltung Konstanz entwickelt in Kooperation mit vielen Beteiligten ein umfassendes Informations- und Leitsystem für Menschen mit Behinderungen jeglicher Art. Es entstehen ein Internet-Portal, eine gedruckte Broschüre und ein physisches Leitsystem.

Das neue Konstanzer Gütesiegel wird Teil des Leitsystems sein und auf Hilfestellungen für Menschen mit Behinderungen jeglicher Art hinweisen."

Mehr Infos zum Projekt gibt es unter

https://www.facebook.com/99rampen
http://www.konstanz.de/soziales/00630/00703/index.html
http://www.konstanz.de/soziales/00630/00703/05959/index.html

Wir haben uns noch ein wenig unterhalten und sind dann mit dem Bus zur Klinik zurückgefahren, wo wir noch rechtzeitig genug ankamen, um uns im Speisesaal ein schnelles Abendessen zu genehmigen. Ich muss zugeben, dass mich Stephan mit seinem Projekt ziemlich beeindruckt hat. Seine Idee gefällt mir sehr und ich finde es absolut vorbildlich und lobenswert, sich mit so viel Überzeugung und Tatendrang für andere einzusetzen!

Dienstag, 24. Juni 2014

Sag zum Abschied leise Servus

Leider sind in den letzten Tagen einige Mitpatienten abgereist, mit denen ich mich ziemlich gut verstanden habe. Einer von ihnen war Uli, der nach einem Schlaganfall zur Reha hier gewesen ist und jetzt mit seiner Frau noch ein paar Tage an der Nordsee verbringt.

Uli muss man einfach mögen. Ein total unkomplizierter, kumpelhafter Typ, mit dem man über Gott und die Welt philosophieren kann. Während unserer gemeinsamen Zeit hier haben wir uns nicht nur die Tischtennisbälle, sondern auch einige mehr oder weniger anständige Witze um die Ohren gehauen. Als krönenden Abschluss hat er kurz vor seiner Abreise sogar noch dafür gesorgt, dass ich keinen Hunger leiden muss, indem er mich in der Stadt zu einer Tasse Kaffee und einem Stück Kuchen eingeladen hat. Für sich selbst beließ er es bei einem Kaffee. Was zeigt, dass er während seines Aufenthalts gelernt hat, verantwortungsvoller mit sich und seinem Körper umzugehen. Er stuft den Schlaganfall als ernstes Warnsignal ein und möchte in Zukunft mehr Sport treiben, sich bewusster ernähren, überschüssige Pfunde abbauen und Stress so gut es geht vermeiden. Dafür zolle ich ihm Respekt und wünsche gutes Gelingen!

Seit Uli nicht mehr da ist muss ich mir fürs Tischtennis neue Mitspieler suchen. Bisher habe ich ab und an mit Birgit die Schläger geschwungen und war froh, eine sehr gute Spielerin gefunden zu haben und mich abends noch etwas bewegen zu können. Leider ist Birgit zurzeit nicht einsatzfähig, da sie sich mit Rückenbeschwerden herumplagt. Umso besser traf es sich, dass ich mich neulich vier, fünf sehr netten Damen habe anschließen dürfen, die sich gelegentlich treffen und gemeinsam Rummikub spielen. Bei schönem Wetter sitzen wir auf der Terrasse des klinikeigenen Cafés und genießen den Blick auf den Bodensee, dessen Ufer keine 100 Meter entfernt ist.

Am letzten Dienstag habe ich zum ersten Mal am Rollitraining in der Sporthalle teilgenommen. Für heute, 13 Uhr, stand nun die nächste Übungseinheit in meinem Therapieplan. Letzte Woche hatten zwei Physiotherapie-Schülerinnen einen Parcours aus verschiedenen Aufgaben aufgebaut, der zu absolvieren war. So musste man z.B. mit dem Rolli eine gerade Linie entlang fahren, einen Ball aus einer gewissen Entfernung in einen kleinen Rollkorb werfen oder mit dem Stuhl über eine kleine Kante auf ein Hindernis hinauf fahren. Und auch heute wurden wieder einige Alltagssituationen nachgestellt und zum Üben angeboten, die Rollstuhlfahrer tagtäglich zu bewältigen haben. Dabei wurden die beiden jungen Damen von einer ausgelernten Physiotherapeutin tatkräftig unterstützt und angeleitet. Aber obwohl ich mit meinem Übungsrolli recht gut zurechtgekommen bin und die beiden Einheiten durchaus Spaß gemacht haben werde ich nicht vergessen, dass ich zuhause so lange wie möglich ohne Rolli mobil sein möchte. Den Stuhl, den ich bekommen werde, sollte und werde ich nur dann nutzen, wenn ich mit meinem rechten Bein wirklich nicht mehr vorwärts komme.

Seit heute Vormittag ist geklärt, dass ich am kommenden Dienstag nach Hause fahren werde. Genau vier Wochen werden es dann gewesen sein, die ich hier verbracht habe. Dass ich keine Verlängerung um ein oder gar zwei Wochen beantragen möchte, habe ich schon vor einigen Tagen entschieden. Ich werde zwar ein wenig traurig sein, wenn ich den vielen netten Leuten ´Lebewohl´ sagen muss, die ich hier bislang kennenlernen durfte. Aber ansonsten werde ich ehrlich gesagt nicht allzu viel vermissen. Dazu kommt, dass ich mich daheim für eine Stelle bewerben will. Ich möchte endlich mal wieder ein paar Stunden arbeiten gehen, mein eigenes Geld verdienen und irgendwo auch wieder einen geregelten Tagesablauf haben. Außerdem ist mein Krankengeld Anfang Juni ausgelaufen und ich habe keine Lust, länger als unbedingt nötig von Hartz IV zu leben.

Ich glaube, ich werde einmal tief durchatmen und drei Kreuze an die Wand malen, wenn ich am Dienstag im Zug sitze.

Dienstag, 17. Juni 2014

Anspruch und Wirklichkeit

Mit meinen Therapeuten und deren Anwendungen bin ich soweit eigentlich recht zufrieden. Allerdings gibt es auch Einheiten, deren Anforderunsgrad gerne noch ein wenig höher sein dürfte. Dazu zählt unter anderem eine Therapie, von der ich mir am meisten versprochen hatte: die Physiotherapie.

Wenn ich an meinen Krankenhausaufenthalt in Heidelberg zurückdenke, gerate ich noch immer ins Schwärmen von der großartigen Physiotherapie, die ich dort erhalten habe. Mein dortiger Therapeut hat wirklich einen super Job gemacht und ich habe sehr von seiner Erfahrung und seinem Wissen profitiert. Die Einheiten, die ich bei ihm absolviert habe, haben mir jedesmal gezeigt, was für junge Parkinson-Patienten wie mich wichtig ist. Das sind erstens große, weite Bewegungen mit den Armen und dem Oberkörper sowie eine aufrechte Körperhaltung. Zweitens kommen geeignete Übungen für die Motorik und die Koordination der Beine hinzu und drittens sollten ein paar kräftigende und dehnende Elemente nicht fehlen. Zu seinem sehr guten Programm kam hinzu, dass er fast täglich bei mir im Zimmer stand und gefragt hat, ob ich Zeit und Lust habe, er hätte gerade Zeit für mich. Und wenn ich später zurück auf mein Zimmer gelaufen bin konnte ich deutlich nachspüren, dass der gute Mann mich ordentlich aus meinen Fischgräten gestoßen hat.

Hier in Konstanz ist mein Programm bisher deutlich weniger anstrengend. Bei meiner Physiotherapeutin absolviere ich Übungen, die mich körperlich nicht wirklich besonders beanspruchen. Das setze ich für eine gute Physiotherapieeinheit zwar nicht unbedingt voraus. Aber ein wenig intensiver und fordernder dürften die Einheiten gerne sein. Und genau da liegt der Hase im Pfeffer. Meine Therapeutin ist der Meinung, ich müsse mir ein intensives Sport-Programm in meiner Freizeit selbst organisieren. Ich hingegen denke, dass man mit einer guten Therapie schon einiges abdecken könnte. Gott sei Dank habe ich zwei Mitstreiter gefunden, mit denen ich abends ab und an noch ein wenig um die Tischtennisplatte in der Sporthalle herumspringen kann.

Was mir auch nicht ganz gefallen hat ist die Tatsache, dass ich darum bitten musste, am Nordic Walking und an der Tischtennis-Gruppe teilnehmen zu können. Diese beiden Angebote hätten für jemanden wie mich, der in seiner Bewegung verlangsamt und verarmt, aber durchaus körperlich belastbar ist, vom ersten Tag an eingeplant werden können.

Auch an zwei Dingen, die hier im Haus Standard zu sein scheinen, störe ich mich ein wenig. Das eine ist, dass ich meine Stationsärztin recht selten zu Gesicht bekomme. Am Tag meiner Anreise war ich zu einer ersten ärztlichen Untersuchung bei ihr und habe sie anschließend noch einmal bei der Visite gesehen, die einmal in der Woche stattfindet. Für mich ist das deshalb nicht ganz unwichtig, weil ich laut des ärztlichen Abschlussberichts der Uniklinik Heidelberg die Dosis meiner Tabletten eigentlich regelmäßig steigern soll. Das habe ich auch dem ärztlichen Leiter der Neurorehabilitation mitgeteilt, der mich am dritten Tag meines Aufenthaltes zum Eingangsgespräch gebeten hatte. Für morgen ist in meinem Plan die nächste Visite eingetragen.

Das andere ist etwas, das ich zwar für mich behalten werde, was mir bei meiner Anreise aber trotzdem negativ aufgefallen ist. In meinem Bad lagen nämlich ausreichend Handtücher bereit, ein Stück Seife habe ich aber vergeblich gesucht. Ein Flüssigseifen-Spender war somit das erste, was ich bei meinem ersten Einkauf in der Stadt besorgt habe.

Am Sonntagnachmittag habe ich meine Stationsärztin auf dem Gang getroffen und mich kurz mit ihr unterhalten. Ich habe ihr gesagt, dass nach meinem jetzigen Eindruck mein Aufenthalt hier im Haus nach der vierten Woche zu Ende sein wird und ich auf eine mögliche Verlängerung verzichte. Ich habe ihr aber auch gesagt, dass ich gerne noch einmal über diese Entscheidung nachdenke, wenn man eine fünfte Woche für mich einplant, die mich vom Programm her überzeugt. Immerhin hat sie mir versichert, sie würde schauen, was sie für mich tun kann. Man darf gespannt sein!

Samstag, 14. Juni 2014

Federleicht und viel zu schnell

Inzwischen habe ich noch nicht ganz die ersten zwei Wochen meiner Reha hinter mich gebracht und muss sagen, dass ich mich gut eingelebt und bereits einige Mitarbeiter und Mitpatienten kennengelernt habe. Generell herrscht hier im Haus eine sehr entspannte und angenehme Atmosphäre und man kommt schnell mit anderen Patienten ins Gespräch. Krankheit verbindet eben. Dass alle aus ein und dem selben Grund hier zu Gast sind, erleichtert die Kontaktaufnahme sehr. Beim gemeinsamen Essen im Speisesaal sitzt man öfter mal mit anderen Patienten an einem Tisch, die man bisher noch nicht näher kennengelernt hat. Meist dauert es nicht lange, bis ein Gespräch zustande kommt, und gelegentlich sieht man sich bei Gruppenanwendungen wieder oder trifft sich zu gemeinsamen Freizeitaktivitäten.

Auch über die Qualifikation der Angestellten und deren Ansprechbarkeit kann ich mich absolut nicht beklagen. Fragen werden freundlich und ausführlich beantwortet und auch die Wünsche und Bitten, die ich bisher vorgetragen habe, wurden entgegengenommen und innerhalb kurzer Zeit realisiert. So hatte ich z.B. vor einigen Tagen darum gebeten, am Nordic Walking und an der Tischtennis-Gruppe teilnehmen zu können. Denn zum einen spiele ich sehr gerne mit dem federleichten Tischtennisball und zum andern ist es für mich wichtig, große und weite Bewegungen zu machen, was ich in beiden Gruppen sehr gut trainieren kann. Dazu kommen an der Platte plötzliche und schnelle Richtungswechsel, was der Koordination der Beine und der geistigen Fitness zugute kommt. Eigentlich müsste mein Therapieplan täglich prall gefüllt mit sportlichen Aktivitäten sein. Da er das nicht in dem Umfang ist, in dem ich es mir körperlich zutraute, kümmere ich mich darum, das ein wenig zu ändern. Möglichkeiten, Sport zu treiben gibt es genug: Nordic Walking, die Dehngruppe, Physiotherapie, Tischtennis, Wassergymnastik, die Gleichgewichtsgruppe, das Rückentraining, freiwilliges Schwimmen etc. Einige dieser Anwendungen habe ich sowieso im Therapieplan stehen, an anderen kann ich auf Wunsch zusätzlich teilnehmen. Die halbe Stunde Tischtennis, die ich am Mittwoch zum ersten Mal gespielt habe, war die erste Einheit, die mich körperlich wirklich gefordert und mir richtig gut getan hat. Und am Donnerstagabend haben ein Mitpatient und ich spontan beschlossen, uns vor dem Abendessen in der Sporthalle noch ein paar Bälle um die Ohren zu hauen. Zu bestimmten Zeiten ist die Halle frei zugänglich und darf genutzt werden. Gleiches gilt für das kleine Schwimmbecken nebenan.

Ein Gerät scheint jedoch nichts für mich zu sein: das Laufband. Als ich gestern meine Physiotherapeutin getroffen habe, die mich hier betreut, beorderte sie mich ins Untergeschoss. Dort steht ein Laufband zwischen dem Schwimmbecken und der Sporthalle, auf dem ich eine Einheit absolvieren sollte. Bevor es losging dachte ich mir noch, das sei sicherlich eine gute Möglichkeit, um die Waden- und Oberschenkelmuskulatur sowie die Hand-Fuß-Koordination zu trainieren. Mag auch sein, dass dem so ist, nur habe ich später die Erfahrung gemacht, dass ich mich so schnell nicht wieder auf solch ein Teil stellen werde.

Die Einheit an sich war gar nicht mal das Problem. Das einzig Unvorteilhafte war, dass sich die beiden Haltestangen links und rechts ziemlich tief am Gerät befinden. Das Laufen auf dem Band war okay. Meine Therapeutin startete das Gerät und von Zeit zu Zeit erhöhte sie die Geschwindigkeit, mit der das Band lief. Nach 1000 von mir gelaufenen Metern reduzierte sie das Tempo allmählich wieder und das Band kam zum Stillstand. Die Einheit war beendet und ich stieg vom Gerät herunter. Kaum hatte ich wieder Teppichboden unter den Füßen wurde mir schwindlig. Es kam mir so vor, als ob sich der Boden in dem Tempo bewegen würde, mit dem sich das Band bewegt hatte. Ich torkelte zwei, drei Schritte nach rechts und dann nach links und sofort kamen die Erinnerungen an den L-Dopa-Test in Heidelberg wieder hoch. Im Anschluss an den Test war ich anderthalb Tage im Bett gelegen und plagte mich mit quälendem Schwindel und starker Übelkeit herum. Hoffentlich ging das jetzt nicht wieder los! Ich nahm meinen abgezeichneten Therapieplan und meine Wasserflasche und fuhr mit dem Aufzug auf meine Etage. Dort kontrollierte ich vor dem Schwesternzimmer meinen Blutdruck und nahm mir vor, den Rest des Tages gemächlich anzugehen und zu warten, bis sich der Schwindel etwas legt oder vielleicht auch ganz verschwindet.

Nach meiner letzten Anwendung habe ich gestern Nachmittag dann doch noch etwas unternommen. Ich bin mit dem Bus in die Stadt gefahren und habe ein, zwei Besorgungen gemacht. Aber obwohl sich der Schwindel weitestgehend gelegt hatte und Konstanz durchaus seine Reize hat, habe ich mich dort nicht sehr lange aufgehalten. Was nicht an der Stadt an sich, sondern viel mehr am dort häufig anzutreffenden Typ Mensch lag. Natürlich kann man nicht alle und jeden in eine Schublade packen. Aber mir gefällt dieser Schickimicki-Stil einfach nicht, der scheinbar überall dort zur Schau getragen wird, wo man von vielen anderen gesehen wird und sich entsprechend zeigen kann. Für meinen Geschmack ist die Innenstadt zu gut besucht von leicht bekleideten Menschen, die aufreizend légère durch die Gassen flanieren und den Eindruck vermitteln, als wüssten sie auch heute wieder nicht, für was sie ihr Geld eigentlich ausgeben sollen. Die Touristen wie auch die Schweizer Nachbarn, die bei gutem Wetter mal mehr, mal weniger zahlreich anzutreffen sind, stören mich dabei kaum.

Ich habe übrigens relativ lange überlegt, ob ich mit dem Rolli in die Stadt fahren soll. Nach den unguten Erfahrungen mit dem Laufband war ich doch etwas unrund auf meinen zwei Beinen unterwegs. Letzten Endes habe ich mich aber gegen den Rolli entschieden. Einerseits hatte sich der Schwindel größtenteils gelegt und andererseits habe ich mich nicht so recht getraut, alleine und ohne Übung im Rolli durch die Stadt zu fahren. Vielleicht war es die bessere Entscheidung, zuerst das Training in der Rolli-Übungsgruppe am kommenden Dienstag zu absolvieren und sich dann mehr vorzunehmen. Ich bin schon gespannt, was alles auf dem Programm steht und wie es sich anfühlen wird, wenn ich irgendwann zum ersten Mal alleine mit dem Rolli unterwegs bin.

Mittwoch, 4. Juni 2014

Voller Bauch tut´s auch

Es gibt Dinge im Leben, bei denen man davon ausgeht, dass ein erwachsener Mensch sie beherrscht. Zu diesen Dingen gehört für mich auch die Fähigkeit, sich soweit zu vergewissern und zu orientieren, dass man in einem großen Bahnhof nur in den Fernverkehrszug steigt, den man auch gebucht hat. Gerade wenn es sich dabei um einen ICE handelt. Deshalb habe ich mich gestern etwas gewundert, als ich in meinem Abteil Zeuge einer Unterhaltung wurde, die ein Fahrgast mit einer Ticketkontrolleurin der Deutschen Bahn führte.

Der ICE nach Basel hatte vor einigen Minuten den Mannheimer Hauptbahnhof verlassen und ich saß auf dem Fensterplatz im Wagen 1, den meine Mutter für mich gebucht hatte. Die Schiebetür links von mir öffnete sich und ein Mann, ungefähr 45 Jahre alt, betrat das Abteil mit einem Koffer, den er hinter sich her zog. Einen kurzen Augenblick blieb er stehen und schaute ein wenig verwundert im Raum herum. Dann ging er ein paar Meter weiter und sprach die Dame von der Bahn an. Er suche seinen Sitzplatz, erklärte er ihr und hielt seinen Fahrausweis in ihre Richtung. Er habe zwar schon nach dem Platz gesucht, könne ihn aber nicht finden. Die Frau überflog sein Zugticket einige Sekunden und entgegnete ihm dann: „Sie sind ja auch im falschen Zug!“ Der Mann wusste zunächst für einen Moment nicht, was er sagen sollte. Dann fand er die Fassung wieder und meinte: „Das verstehe ich nicht. Ich habe doch extra nochmal geschaut!“ Das Ende vom Lied war wenig später, dass er ein paar Euro nachzahlte und von der Kontrolleurin ein zusätzliches Ticket mit einer neuen Verbindung ausgestellt bekam, mit der er sein Ziel sogar eine halbe Stunde eher erreichen würde. Was ihn in Mannheim am Bahnsteig möglicherweise irritiert hat war die Tatsache, dass der ICE Richtung Basel, in dem er gelandet war, normalerweise von Gleis 8 verkehrt und gestern ausnahmsweise von Gleis 5 gefahren ist. Auch ich war mit meinem Gepäck schon die ersten Treppenstufen zu Gleis 8 hinauf unterwegs, habe dann aber die Hinweis-Anzeige auf dem Monitor gelesen und wieder kehrt gemacht. Andererseits wurde der Gleiswechsel aber an beiden Gleisen auf den Monitoren angezeigt und auch mehrmals von einer Ansagerin mündlich angekündigt. Insofern hätte er eigentlich bemerken müssen, dass er in den ICE nicht hätte einsteigen dürfen.

Ansonsten verlief meine Anreise absolut störungsfrei und wie geplant. Amüsiert habe ich mich über einen Hinweis, mit dem ein Zugbegleiter die Passagiere per Lautsprecher-Durchsage über folgendes informierte: „Sis train do not stop in Offenburg. Please change at Karlsruhe.“ Respekt! Das hätte selbst Lothar Matthäus nicht besser formulieren können.

Um Punkt 15 Uhr bin ich aus dem Bus gestiegen, der wenige Meter vor dem Haupteingang der Klinik verkehrt. Wie es so üblich ist, führte mich mein erster Weg zur Anmeldung, wo man mich im Verlauf der Aufnahmeprozedur um 39 € erleichterte. 10 € habe ich als Pfand für meinen Zimmerschlüssel hinterlassen und 1 € habe ich für das Schlüsselband gelöhnt. Die restlichen 28 € durfte ich als sogenannte „Kurtaxe“ abdrücken, denn die Stadt Konstanz verlangt seit dem 01.01.2011 für jeden Reha-Patienten eine Gebühr von 2 € pro Tag. Freundlicherweise übernimmt meine Klinik die Hälfte dieser Kosten, wodurch für mich bei 28 Tagen Aufenthalt ein zu zahlender Restbetrag von 28 € entsteht. Vermutlich sind die allermeisten Patienten nicht sonderlich begeistert, wenn sie bei ihrer Anmeldung gleich zur Kasse gebeten werden. Man muss aber fairerweise dazu sagen, dass man als Gegenleistung zur Kurtaxe das Busnetz der Stadt gratis nutzen darf und bei zahlreichen Einrichtungen und Veranstaltungen eine Ermäßigung erhält. Und weil ich nicht immer gut zu Fuß unterwegs bin freue ich mich darüber, dass ich nicht jedes Mal 2,30 € zu zahlen habe, wenn ich mit dem Bus Richtung Hauptbahnhof oder zurück zur Klinik fahren möchte.

An Programm war für den ersten Tag gestern noch nichts für mich angesetzt worden. Ich bekam von einer Schwester ein paar Informationen zur Station und zu den Abläufen im Haus und wurde von der Stationsärztin zur Aufnahmeuntersuchung einbestellt. Soweit ich das bisher beurteilen kann, sind die Mitarbeiter sehr nett und hilfsbereit und bei Fragen jederzeit ansprechbar. Allerdings gibt es auch Dinge, die mir negativ aufgefallen sind und über die ich mich etwas wundere. So ist z.B. mein Bett etwas kurz und schmal geraten. Offenbar hat man sich bei der Ausstattung der Zimmer nicht allzu viele Gedanken darüber gemacht, dass es Patienten geben soll, die größer als 1,75 Meter sind. Wenn man sich nachts zu sehr bewegt oder dreht könnte es passieren, dass man eine Etage tiefer weiterschläft und am nächsten Morgen etwas gegen Kopfschmerzen braucht. Und was mir besonders aufstößt ist das Fehlen einer WLAN-Verbindung auf meinem Zimmer. Wer im Internet unterwegs sein möchte, muss den Laptop, das Smartphone oder was auch immer einpacken und sich draußen im Flur an einen Tisch setzen, der sich möglichst in der Nähe der Internetstation befindet, die sich dort irgendwo befindet. Auf den Zimmern gibt es kein Netz. Da die Klinik über einen sehr guten Ruf in der Fachwelt verfügt wundert es mich schon, dass man den Patienten diesen Service nicht zur Verfügung stellt. Dazu kommt, dass in den Fluren gut sichtbare Hinweistafeln angebracht sind, man möge sich ab 23 Uhr nur noch in seinem Zimmer aufhalten. Wer sich (wie ich bspw.) lieber im Internet aufhält, als in seinem Zimmer vor dem Flimmerkasten zu sitzen, sollte sich seine Tour durch das weltweite Netz so einteilen, dass er spätestens um 23 Uhr sein Surfbrett wieder einpacken kann.

Es gibt aber auch Dinge, die mir hier gut gefallen. So liegt die Klinik z.B. direkt am Bodensee. Vom Speisesaal hat man einen schönen Blick auf die Wasserfläche und bis runter zum Ufer sind es nur ein paar Schritte. Die Innenstadt ist über eine Buslinie vor dem Haus gut und zeitnah erreichbar. Innerhalb des Gebäudes sind die Wege recht kurz und die einzelnen Therapiebereiche gut zu finden. Bisher hatte ich nur mit einigen wenigen anderen Patienten Kontakt. Aber das lockere zwischenmenschliche Klima erleichtert den Neuankömmlingen die Eingewöhnung im Haus. Fast jeder, mit dem ich bisher ins Gespräch kam, hat mir nach max. fünf Minuten das „Du“ angeboten. Ich finde es aber schon krass, wegen welchen anderen Erkrankungen die Leute teilweise hier zur Reha anreisen. Ein Mitpatient hat mir erzählt, er sei dabei gewesen, in einer Unterführung Neonröhren auszutauschen, als er plötzlich von der Leiter gefallen und mit dem Kopf auf dem Betonboden aufgeschlagen sei. Zumindest hätte man es ihm später so erzählt. Als Folge dieses Unfalls habe er ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten und sei einige Zeit im Koma gelegen. Da bin ich doch froh, dass sich mein Morbus Parkinson langsam und allmählich bei mir ausgebreitet hat und nicht die Folge eines Unfalls gewesen ist!

Im Verlauf des Vor- und des Nachmittages standen die ersten drei, vier Termine auf meinem Therapieplan. Richtig interessant war es aber noch nirgendwo, weil ich mich überall erst einmal vorgestellt und angemeldet habe. So z.B. um 13 Uhr für den Sport. Als Gruppen, in die er mich wegen meines Krankheitsbildes eintragen wird, nannte mir der freundliche Klinikmitarbeiter die Dehngruppe und die Rückenschule. Außerdem soll ich wohl auch auf dem Laufband trainieren und bei den Wasserübungen mitmachen. Bevor ich mich beim Sport angemeldet habe war ich mir etwas unsicher, ob ich gleich meine Sporthose und die Sportschuhe anziehen und unten in der kleinen Sporthalle womöglich gleich bei den ersten Übungen mitmachen soll. Denn da ich vorher gerade beim Mittagessen gewesen war, wäre das keine so gute Idee gewesen. Aber man hat mich noch verschont. Ich habe lediglich erklären müssen, weswegen ich als Patient hier bin und wo meine Defizite liegen. Ganz nach dem Motto: ´Ein voller Bauch tut´s heute auch.´ Dafür geht es morgen Früh gleich gut los. Um 9:00 Uhr steht die Wassergymnastik und um 10:15 Uhr die Gleichgewichtsgruppe auf dem Programm.

Nicht auf meinem Plan stand der spontane Besuch der Kontinenzberaterin, die um 14:15 Uhr bei mir in der Tür stand. Wir haben heute noch nicht ausführlich miteinander gesprochen und die nächsten Tage wird sie nicht da sein. Somit werden wir uns irgendwann in der Zeit zwischen Donnerstag und Samstag nächster Woche sehen. Was sie aber heute schon sagen konnte war, dass die Arzneimittel, die bei einer Harninkontinenz sonst zum Einsatz kommen können, bei Parkinson-Patienten kaum wirksam sind. Ich vermute mal, dass das mit den pathophysiologischen Veränderungen zusammenhängt, die beim Morbus Parkinson auftreten können. Es scheint bei dieser Erkrankung tatsächlich so zu sein, wie es mir bereits vom Assistenzarzt der Neurourologie in Heidelberg-Schlierbach prophezeit worden war: „Dein Problem wird sich im Laufe der Zeit eher verschlechtern als verbessern.“ Trotzdem hat es mich gefreut, dass die Schwester, die mich gestern von Seiten der Pflege aufgenommen hat, mein Einverständnis zu ihrem Vorschlag, ich könne mich beraten lassen, so zügig an die zuständige Stelle weitergegeben hat und ich sicher sein kann, dass man wieder auf mich zukommen wird.

Als letzter Programmpunkt stand für 15:00 Uhr die Anmeldung bei der Physiotherapie in meinem Plan. Zu meinem Erstaunen möchte die Therapeutin, die mich betreut, gar nicht mal so besonders viele klassische Übungen mit mir machen. Sie wird mich in die Rolligruppe einschreiben, damit ich in der nächsten Zeit lerne, sicher und kräftesparend im Rollstuhl unterwegs zu sein. Außerdem hat auch sie mir das Laufband als mögliches Ausdauertraining vorgeschlagen.

Ich werde die Inhalte der einzelnen Therapien und Kurse ganz entspannt auf mich zukommen lassen. Dem zufolge, was andere Patienten über ihre Anwendungen erzählen, machen die Therapeuten einen ordentlichen Job. Und obwohl ich noch immer hin und her überlege, ob eine Reha-Maßnahme wirklich die beste und am ehesten angezeigte Lösung für mich war, muss ich sagen, dass ich von der Professionalität und der Zuverlässigkeit der Mitarbeiter hier im Haus bisher einen sehr ordentlichen Eindruck habe.

Dienstag, 3. Juni 2014

Geht doch!

Am letzten Freitag haben sich für zwei Angelegenheiten, die mir in den letzten Tagen und Wochen oft im Kopf herumgegangen sind, halbwegs zufriedenstellende Lösungen ergeben. Ich rede schreibe von der schon länger genehmigten Reha, die ich absolvieren soll, und von meiner Rollstuhl-Versorgung.

Ich muss zugeben, dass ich den Damen und Herren der Reha-Klinik in Konstanz bei der Suche nach einem Aufnahmetermin für mich etwas unter die Arme gegriffen habe. Und zwar habe ich ihnen am Donnerstag per E-Mail mitgeteilt, dass ich nicht länger bereit bin, zuhause zu sitzen und auf Nachricht vom Bodensee zu warten. Falls mir bis zum 9. Juni (Anfang nächster Woche) kein Termin für meine stationäre Aufnahme mitgeteilt worden wäre, hätte ich bei der Deutschen Rentenversicherung entweder um eine andere Klinik gebeten oder ich hätte die Rehamaßnahme schlichtweg abgesagt. Habe ich den Damen und Herren so geschrieben und hätte ich auch so gemacht. Hätte ist Konjunktiv, die sog. Möglichkeitsform. Dieser Fall wäre somit zwar möglich gewesen, ist aber nicht eingetreten. Warum nicht? Weil ich am Freitag zwei E-Mails im Posteingang gefunden habe, die das verhindert haben. In einer "Zwischennachricht" informierte man mich, man habe mich nicht vergessen, jedoch habe die aktuelle Belegungssituation eine Aufnahme bisher leider nicht zugelassen. In der anderen E-Mail stand, ich sei zur stationären Behandlung angemeldet worden und man würde mich für Dienstag, den 03.06., zur Aufnahme in die Klinik einladen.

Im ersten Moment war ich doch ein wenig überrascht. Einerseits, weil es plötzlich ziemlich fix gegangen ist mit der Einbestellung in die Klinik und andererseits, weil es bis Dienstag nicht mehr lange hin war und ich bis dahin Wäsche zu waschen und meine sieben Sachen zusammenzusuchen hatte. Darüber hinaus bin ich bei meinem Hausarzt gewesen, weil er mir auf einem Formular per Stempel und Unterschrift bescheinigen musste, dass ich für die Reha körperlich belastbar und reisefähig bin. Fehlt diese Bestätigung, braucht man als Patient gar nicht erst zur Reha zu fahren. Denn ohne dieses abgestempelte und unterschriebene Blatt Papier findet keine Rehabilitation statt.

Ich könnte mich jetzt darüber ärgern, dass plötzlich alles schnell gehen musste und für mich etwas stressig war. Erst hört man lange nichts, dann soll man auf einmal flexibel sein. Aber ich mache mich deswegen nicht verrückt. Ich werde vier Wochen in dieser Klinik verbringen und versuchen, von meinem Aufenthalt so gut es geht zu profitieren. Und wenn ich zurück bin will ich mich wieder ins Berufsleben eingliedern. Schließlich möchte ich nicht ewig zuhause sitzen. Auch, wenn es vielleicht erst einmal nur ein paar Stunden in der Woche sind, die ich arbeiten gehe. Gegenüber meiner jetzigen Situation wäre das schon ein echter Fortschritt.

Trotzdem frage ich mich schon, was genau man sich in meinem Fall von einer stationären Reha verspricht. Mir ist klar, dass Reha-Kliniken im Allgemeinen viele verschiedene Angebote unter einem Dach anbieten können. Aber ich habe mich nicht unbedingt wegen dieser vielen Möglichkeiten für eine Reha-Maßnahme entschieden. Ich möchte vor allen Dingen von der Beratung und der Hilfestellung profitieren, die ich in der Klinik bekommen kann. Und zwar geht es mir vor allem um Beratung bezüglich der Frage, wie ich meine Arbeitsfähigkeit erhalten und vielleicht auch verbessern kann und darum, welche finanziellen Leistungen mir zustehen, bis ich wieder ein eigenes Einkommen habe. Denn auf meine Frage, warum sie mir eine Reha empfehlen würde, antwortete mir die Sozialpädagogin in Heidelberg neulich unter anderem mit dem Hinweis, man könne in Konstanz meine Arbeitsfähigkeit ärztlich begutachten und anhand des Ergebnisses meine Chancen auf dem Arbeitsmarkt einschätzen und mir mögliche Tätigkeitsgebiete vorschlagen. Ob diese ärztliche Beurteilung mit meiner eigenen Einschätzung übereinstimmt, wird sich dann zeigen. Zurzeit merke ich, dass sich meine körperlichen Beschwerden durch das Pramipexol durchaus ein wenig gebessert haben. So kann ich z.B. den rechten Arm ein wenig freier bewegen und auch das Schreiben fällt mir etwas leichter. Dass sich mein Schriftbild verbessert hat, ist mir am Samstag zum ersten Mal aufgefallen. Ich habe einen Fragebogen der Klinik ausgefüllt und mich gefreut, dass es mir so gut von der Hand gegangen ist und dass man meine Eintragungen einwandfrei lesen konnte. Aber trotz dieser kleinen Erfolge ist mir natürlich klar, dass ich chronisch krank bin und in Zukunft gut auf meine körperliche Leistungsfähigkeit achten muss. Die Einschätzung der Sozialpädagogin bei unserem Gespräch vor meiner Entlassung aus der Klinik in Heidelberg fand ich trotzdem etwas übertrieben. Sie war der Meinung, ich hätte auf dem Arbeitsmarkt keine Chance. Das sehe ich etwas anders. Ich denke, dass ich durchaus eine gewisse Anzahl an Wochenstunden absolvieren könnte. Auch mit Handicap. Denn es mag zwar sein, dass mich meine Erkrankung in einigen Dingen einschränkt und behindert. Aber deshalb bin ich noch lange nicht unfähig oder chancenlos und zu überhaupt nichts zu gebrauchen. Wenn es nach mir ginge, säße ich seit Wochen am Computer und würde Bewerbungen schreiben. Nebenher würde ich mich zweimal die Woche in meiner Physiotherapie-Praxis im Nachbarort behandeln lassen und mir (wie vor einiger Zeit mit ihm besprochen) von meinem Schmerztherapeuten probeweise KG nach Bobath bzw. manuelle Therapie verordnen lassen. Nunja. Es hat sich jetzt eben anders ergeben. Ich hoffe wirklich, dass der Rat aus Heidelberg der richtige war und es eine sinnvolle Entscheidung gewesen ist, vor dem Wiedereinstieg in den Beruf zur Reha zu fahren.

Was die Auswahl eines geeigneten Aktivrollis für mich betrifft gibt es nicht wirklich etwas Neues. Am Freitag habe ich mich noch einmal mit Thomas getroffen und mit ihm ein paar Dinge besprochen. Und weil ich weiß, dass es wichtig ist, einen Rollstuhl ausreichend zu testen, bevor man sich für ihn entscheidet, habe ich im Avantgarde von Otto Bock Platz genommen und bin ein Stück mit dem Stuhl gefahren. Zuerst ein paar Minuten draußen auf dem Bürgersteig, dann drinnen im Geschäft. Im Prinzip würde der Avantgarde für meine Bedürfnisse ausreichen. Denn der Rolli soll als Notlösung nur dazu da sein, dass ich Platz nehmen kann, wenn ich größere Strecken zu Fuß zurücklege und meine Beine mich dabei irgendwann im Stich lassen. Dafür taugt der Stuhl auf jeden Fall. Und da ich für dieses Modell wahrscheinlich keine wirtschaftliche Aufzahlung zu leisten hätte, würde er sich eigentlich anbieten. Aber irgendwie kann ich mich einfach nicht entscheiden, ob ich nicht doch besser den Sopur Helium nehmen soll. Im Gegensatz zum Avantgarde handelt es sich beim Helium um einen Starrahmen-Rollstuhl, der sich nicht zusammenfalten lässt. Ich habe gestern mit Thomas telefoniert und wir sind so verblieben, dass ich in Konstanz noch ein paar Meinungen zu dem Thema einholen werde und mich erst dann endgültig für einen der beiden Stühle entscheide. Denn am Telefon hat man mir geraten, dass ich die Physiotherapeuten der Klinik auf dieses Thema ansprechen soll. Außerdem bietet die Klinik wohl auch ein Mobilitätstraining für Rollstuhlfahrer an, bei dem ich teilnehmen soll. Schau´n mer mal!

Montag, 26. Mai 2014

Alles easy!?

Ganz ehrlich? Ich hätte nicht gedacht, dass mein Gespräch mit der Ärztin heute Morgen so entspannt verlaufen würde. Irgendwo und mit irgendetwas würde es bestimmt ein Problem geben, und leider könne man mir keinen Rollstuhl verordnen, befürchtete ich. Aber das war überhaupt nicht der Fall. Als ich zur Tür heraus ging, war ich erst einmal ein wenig verdutzt und positiv überrascht. Denn die Ärztin hat die drei Verordnungen, um die Thomas gebeten hatte, anstandslos erstellt und sie mir mitgegeben. Und ein, zwei Tipps zur Beantragung des Stuhls bei der Krankenkasse und zu meiner geplanten Reha habe ich auch noch von ihr bekommen. Besser hätte es also kaum laufen können!

Ich bin sehr froh, dass wir jetzt Nägel mit Köpfen machen und es ist gut zu wissen, dass ich bei Thomas in so guten Händen bin. Darüber hinaus bin ich erleichtert, dass ich in Zukunft auf einen fahrbaren Untersatz zurückgreifen kann, wenn es für die Beine zuviel wird. Außerdem ist es mir unangenehm und peinlich, wenn mir die Leute wegen meines Gehfehlers hinterherschauen. Für meine Erkrankung und die mit ihr verbundenen Beschwerden brauche ich mich nicht zu schämen, klar. Trotzdem ist es ein komisches Gefühl, wenn sich in der Fußgängerzone Passanten nach mir umdrehen.

Am Freitagmittag werde ich wieder zu Thomas fahren. Ich möchte mir gerne die Stühle anschauen, die gerade da sind. Und selbst dann, wenn wie am Donnerstag lediglich der Avantgarde und der Sopur Helium da sein sollten, möchte ich zumindest mit diesen beiden eine kleine Runde drehen. Am besten zuerst auf dem glatten Hallenboden und dann draußen unter freiem Himmel. Denn einen Rolli zu ordern, ohne ihn vorher Probe zu fahren, ist so ziemlich der größte Fehler, den man als Anfänger begehen kann. Das weiß sogar ich. Zusätzlich möchte ich mich informieren, welche Aufzahlung ich für welchen Stuhl zu leisten hätte. Obwohl ich ehrlich gestehen muss, dass der Sopur Helium ein toller Stuhl ist und mir richtig gut gefällt. Der wäre mir auf jeden Fall ein paar Mark wert.

So wie heute darf es jedenfalls gerne weitergehen!

Freitag, 23. Mai 2014

Ein Gaul muss her!

In den letzten Tagen habe ich mir nochmal ein paar Gedanken gemacht und habe überlegt, ob die Entscheidung, die ich getroffen habe, richtig ist. Aber je mehr ich darüber nachdenke und je intensiver ich die Pro- und Contra-Argumente gegeneinander abwiege, desto sicherer gelange ich zu der Überzeugung, dass mein Entschluss richtig und begründet ist und dass es eigentlich gar nicht so viele Contras gibt.

Ich finde: Der Ralle braucht einen Gaul! Und zwar nicht so einen fußlahmen wie die, die ich neulich in Heidelberg auf der Station geritten bin und die man alle drei Meter ermahnen muss, die Spur zu halten. Nein, es soll ein richtig flotter und auf mich und meine Körpermaße angepasster Gaul sein.

Gerade vorgestern, als ich mit Sam spazieren war, ist es mir wieder aufgefallen. Ich komme beim Laufen manchmal kaum einen Schritt voran und es fällt mir schwer, das rechte Bein anzuheben und einigermaßen zügig ein Bein vor das andere zu setzen. Meistens bin ich die ersten paar Minuten ganz gut unterwegs und merke dann nach ca. einer halben Stunde, dass mein Tempo und die Koordination langsamer bzw. schlechter werden. Aber vorgestern kam es mir vom ersten Schritt an so vor, als hätte ich Pudding in den Beinen. Und zwar in beiden, nicht nur im rechten. Wir waren rund 45 Minuten unterwegs, aber richtig weit kamen wir nicht. Damit habe ich mich inzwischen abgefunden, das kann ich akzeptieren. Was ich jedoch nicht akzeptieren möchte sind die körperlichen Probleme, die ich beim Gehen habe. Als ich anfing, das Pramipexol zu nehmen, hatte ich nach recht kurzer Zeit den Eindruck, als wäre mein Gangbild ein klein wenig besser geworden. Aber das war einmal. Mittlerweile ist es wieder genauso schlecht wie die letzten eineinhalb Jahre vor der Medikation auch. Vielleicht bessert es sich ja noch ein wenig, wenn ich die Dosis weiter steigere, wer weiß. Eines habe ich mir jedenfalls geschworen: Eine Situation wie die neulich in Heidelberg, als mich bei meinem Sonntagsspaziergang auf dem Rückweg zur Klinik ein paar hundert Meter vor dem Ziel plötzlich die Kräfte verlassen haben und ich kurz davor war, um Hilfe bitten zu müssen, wird es so nicht mehr geben! Außerdem möchte ich auch in Zukunft so mobil wie möglich bleiben und z.B. einen Spaziergang nicht deswegen ablehnen müssen, weil ich befürchte, unterwegs schlapp zu machen.

Deshalb habe ich gestern kurzentschlossen Sandra und Thomas besucht, die in einer Filiale eines Reha-Fachhandels arbeiten und beide selbst im Rolli sitzen. Von Sandra habe ich ja schon geschrieben. Sie ist in dieser Niederlassung für die Beratung und Versorgung bestimmter Inkontinenzpatienten zuständig. Thomas sitzt aufgrund einer Querschnittlähmung in seinem schicken Gefährt und kennt sich Sandra zufolge richtig gut mit Rollstühlen und deren Anpassung aus. Das kann ich seit gestern absolut bestätigen! Für halb Fünf hatte er sich etwas Zeit eingeplant und mich dann ungefähr eine Stunde lang über verschiedene Rollstühle und deren Ausstattungsmöglichkeiten sowie über die Abwicklung mit der Krankenkasse beraten. Probesitzen konnte ich in einem Avantgarde von Otto Bock und in Thomas´ eigenem Stuhl, einem Sopur Helium der Firma Sunrise Medical. Der Helium ist mir bereits vor einiger Zeit im Internet aufgefallen. Recht schnell hatte ich einen sehr positiven Eindruck von diesem Stuhl und muss sagen, dass sich mein Eindruck aus der Theorie nun auch in der Praxis voll bestätigt hat. Relativ leicht, gut zu fahren, wendig, ansprechendes Design - ein schickes Teil! Und da auch Sandra in einem solchen Flitzer unterwegs ist, kann er so ungeeignet nicht sein.

Thomas hat mir empfohlen, ich solle mir vom Hausarzt zusätzlich ein elektrisches Zuggerät verordnen lassen. Wenn ich das richtig in Erinnerung behalten habe mit der Begründung, dass ich das Teil dann vor den Rolli montieren und nutzen kann, wenn meine Arm- und Schultermuskulatur mal schlapp machen sollte und eine Pause braucht.

Um zum Wesentlichen zu kommen: Für einen Helium müsste ich ca. 500 bis 600 Kröten auf den Tisch legen, der Avantgarde wäre wohl ohne wirtschaftliche Aufzahlung zu haben. Sagt Thomas. Da das Zuggerät über eine Hilfsmittelnummer verfügt, bekäme ich das wohl für umme. Heute Vormittag hat Thomas mir eine E-Mail geschrieben, welche Angaben unbedingt auf den notwendigen Verordnungen stehen sollten. Am Montag bin ich um 11 Uhr bei der Ärztin, die in der Praxis meines Hausarztes tätig ist, und werde hoffentlich mit drei Einzelverordnungen über einen Aktivrollstuhl nach Mass, ein anatomisches Sitzkissen und ein elektrisches Zuggerät nach Hause fahren. Vielleicht könnten wir dann noch vor der Reha meine Rolli-Maße ausmessen und den Stuhl von der Krankenkasse genehmigen lassen. Glück auf!

Mittwoch, 21. Mai 2014

Der Kümmelspalter im Wartestand

Mein letzter Post liegt mittlerweile schon wieder elf Tage zurück. Das hat unter anderem den Grund, dass es nichts neues gibt. Zumindest nicht von der Reha, die ich antreten soll. Und das geht mir inzwischen ziemlich auf den Zeiger!

Seit dem 24. April liegt mir nun schon der Bewilligungsbescheid der Deutschen Rentenversicherung für eine vierwöchige, stationäre Reha in Konstanz am Bodensee vor. Und noch immer habe ich von der Klinik weder etwas gehört, noch gelesen. Anfang Mai hatte ich telefonisch Kontakt mit der Belegabteilung. Man versicherte mir, ich stünde auf der Liste der Patienten, die zeitnah aufzunehmen seien. Ob man jetzt, fünf Wochen, nachdem ich in Heidelberg aus der Klinik entlassen worden bin, noch von ´zeitnah´ sprechen kann, sei mal dahingestellt.

Als meine Mutter, meine Tante und ich bei meiner Entlassung aus der Klinik am 11. April mit der Mitarbeiterin des Sozialdienstes über eine mögliche Rehabilitationsmaßnahme gesprochen haben sprach die Dame davon, dass es ratsam sei, eine solche Reha spätestens zwei bis drei Wochen nach der Klinik-Entlassung anzutreten. Das hat, wie der Kümmelspalter weiß, unter anderem den Grund, dass die positiven Auswirkungen, die die sehr guten Physiotherapie-Einheiten in Heidelberg auf mich hatten, nicht komplett verpuffen sollen. Ziel ist generell, die Wartezeiten der Patienten so kurz wie möglich zu halten, um den Schwung aus der Klinik noch etwas in die Reha mitnehmen zu können. Wie gesagt, mittlerweile sind es fünf Wochen, und ich weiß nicht, wieviel Schwung bei mir noch vorhanden ist. Ich habe mir während meines Klinkaufenthaltes zwar ein paar Übungen eingeprägt, die ich zuhause alleine machen kann. Aber in einer Reha absolviert man die Übungen eben unter Aufsicht und bekommt Tipps vom Fachmann dazu, was das Ganze somit deutlich wertvoller macht. Finde ich. Außerdem habe ich mir seit meiner Entlassung nach Hause auch keine Physiotherapie von meinem Schmerztherapeuten verordnen lassen. Denn ich musste und muss ja täglich mit Post aus Konstanz rechnen, dass ich anrücken darf. Daher wäre es nicht sinnvoll gewesen, wenn ich mir eine 6er-Verordnung hätte ausstellen lassen, von der dann nach zwei oder drei Einheiten womöglich Schluss gewesen und der Rest verfallen wäre. Wenn ich gewusst hätte, dass ich nach fünf Wochen immer noch auf Nachricht vom Bodensee warte, hätte ich natürlich längst eine Verordnung besorgt. Ich könnte wetten, dass ich dort längst ein Zimmer hätte, wenn ich privat krankenversichert wäre!

Der andere Grund, weshalb ich nun ein wenig Druck machen werde, ist der, dass mir meine Krankenkasse nur noch bis zum 2. Juni Krankengeld zahlt. Danach werde ich mich umschauen müssen, wann und wie es bei mir weitergeht. Ich möchte auf jeden Fall wieder arbeiten gehen, auch wenn es vielleicht erst einmal nur ein paar Stunden in der Woche sind. Mit 31 habe ich definitiv keine Lust, zuhause zu sitzen und die Wände anzustarren. Außerdem ist es ja auch nicht so, dass ich körperlich komplett unfähig bin. Ich finde, meine Erkrankung muss mit mir arbeiten gehen, und nicht ich mit meiner Erkrankung!

Vorgestern habe ich die Dame des Sozialdienstes in Heidelberg telefonisch informiert, dass ich noch immer kein Aufnahmedatum für Konstanz habe. Wir haben nicht lange miteinander gesprochen, aber immerhin meinte sie, sie kümmere sich darum. Schau´n mer mal!

Immerhin schlägt das Pramipexol ganz gut bei mir an. Ich bin, das gebe ich gerne zu, etwas von dem Zeitplan für die Dosissteigerung abgewichen, den ich mit meiner Neurologin erstellt hatte, und nehme schon seit Samstag dreimal täglich drei Tabletten mit jeweils 0,18 mg ein. Macht also 1,62 mg, die ich mir zurzeit pro Tag gönne. Normalerweise hatten wir diesen Schritt erst für den 21. Mai geplant. Aber da ich die Arznei bislang recht gut vertrage und auch eine leichte Besserung meiner Beschwerden wahrnehmen kann, habe ich den Termin ein wenig vorverlegt. Mit Pramipexol fällt mir das Laufen ein klein wenig leichter, und auch der Arm fühlt sich etwas freier an und schwingt beim Gehen etwas mehr mit. Und vor allem ist das Zittern meines rechten Arms beim Ausführen bestimmter Bewegungen besser geworden. Wenn ich z.B. in Bauchlage meine Bettdecke etwas nach oben ziehe, veranstaltet der Arm dabei nicht mehr ganz so viel ´Shake it, Baby!´-Spektakel.

Gestern habe ich mit meiner Neurologin telefoniert. Ich hatte ihr eine E-Mail geschrieben und um Rückruf gebeten, da ich am Sonntagabend die letzten Tabletten der 100er-Packung einnehmen werde, die sie mir Ende April verordnet hat. Wir haben vereinbart, dass sie mir eine Verordnung über 100 Tabletten à 0,18 mg und eine Verordnung über 100 Tabletten à 0,35 mg Pramipexol zuschicken wird, die ich heute Morgen zum Frühstück auch prompt aus dem Briefkasten geangelt habe. Respekt!  Pro Einzeldosis werde ich mir ab Montag einmal 0,18 mg und einmal 0,35 mg ins System schmeißen, was zusammen 0,53 mg ergibt und damit nahezu den 0,54 mg entspricht, die ich bisher als Einzeldosis nehme. Das Ganze gibt es dreimal am Tag und eignet sich gut, um sowohl die Kosten als auch die Anzahl der Tabletten zu senken, die ich tagtäglich schlucke. Wann wir dann den nächsten Schritt machen und die Dosis wieder ein wenig steigern, wird man sehen. Entweder werde ich das in Konstanz mit den Ärzten der Rehaklinik oder wieder mit meiner niedergelassenen Neurologin besprechen.

Leider haben sich bei mir neben der gewünschten Wirkung auch ein, zwei sog. unerwünschte Arzneimittelwirkungen eingestellt. Pramipexol ist z.B. dafür bekannt, dass es während der Einnahme zu sog. Schlafattacken und erhöhter Schläfrigkeit kommen kann. Es ist zwar längst nicht so, dass ich von jetzt auf gleich in den Dornröschen-Schlaf verfalle. Aber manchmal merke ich schon, dass ich auch tagsüber etwas müde werde und versuche dann, die nächsten ein, zwei Stunden etwas kürzer zu treten und mich ein wenig auszuruhen, wenn möglich. Was mir zurzeit aber deutlich mehr zu schaffen macht ist mein Gedärm. Bisher waren gut gewürzte Snacks und Mahlzeiten nie ein Problem. Und ich esse auch gerne scharf. Aber seit zwei, drei Wochen muss ich gut darauf achten, was ich esse.  Es kommt mir so vor, als hätte die Arznei meinen Darm etwas sensibilisiert. Schon kleine Mengen pikanter Nahrungsmittel können in meinem Bauch ein Gluckern verursachen und dafür sorgen, dass ich viel Luft im Darm habe und Bauchschmerzen bekomme. Ich vermute, dass auch mein Reizdarm, der bei mir seit einigen Jahren bekannt ist, da mit reinspielt. Jedenfalls kann es passieren, dass ich wenige Minuten nach dem Essen einen mehr oder weniger imperativen Stuhldrang verspüre, auch wenn der Darm eigentlich leer ist oder ich kaum etwas gegessen habe. Daheim ist das nicht so dramatisch, eher etwas nervig. Unterwegs aber muss ich das nicht unbedingt haben. Mir bekannte Triggerfaktoren sind z.B. größere Mengen kohlensäurehaltiger Getränke und Zartbitterschokolade. Etwas überrascht war ich jedoch gestern, als sich mein Gedärm nach dem Verzehr einer nicht allzu großen Portion Hühnerfrikassee ziemlich heftig zu Wort meldete und ich mich den Rest des Abends mit starken Blähungen und einem flauen Gefühl in der Magengrube herumärgerte. Denn bis auf etwas Salz war das Essen eigentlich nicht weiter gewürzt gewesen.

Da ich diesen Beitrag aber mit etwas Schönem beenden möchte füge ich ein Bild ein, das ich an einem Wochenende auf dem Klinikgelände in Heidelberg aufgenommen habe. Alles wird gut!


Samstag, 10. Mai 2014

Psycho-Ralle und Aggro-Ralle

In letzter Zeit erinnere ich mich des Öfteren an das Spätjahr 2011 zurück, als alles begann. Ende November, Anfang Dezember traten die ersten Symptome und Beschwerden bei mir auf und ich wunderte mich mehr und mehr, was plötzlich mit mir los war.

Um die Schwierigkeiten verständlich zu beschreiben, die sich vor allem bei jüngeren Parkinson-Patienten bei der Diagnosefindung oftmals ergeben, hole ich etwas aus und beschreibe in diesem Post den Verlauf meiner Erkrankung von den ersten Anzeichen bis hin zur Verdachtsdiagnose ´Morbus Parkinson´ im November 2013.

Als erste Ansprechpartnerin suchte ich damals meine Hausärztin auf. Sie überprüfte z.B. die Muskulatur meines Rückens und der Arme und gab mir ein Kärtchen eines Fitnessstudios in die Hand, in dem die Kunden ihrer Meinung nach sehr gut betreut würden. Heute ist natürlich klar, dass sie nicht wirklich eine Chance hatte, die wahre Ursache meiner Probleme herauszufinden. Denn wer denkt bei einem 29-Jährigen, der wegen Schulter- und Nackenverspannungen in die Praxis kommt, schon an einen Morbus Parkinson!? Zur Senkung der erhöhten Muskelspannung hat sie mir Tetrazepam verschrieben. Davon habe ich aber, das muss ich zugeben, nie eine Tablette geschluckt. Zu groß waren meine Bedenken, dass mich das Zeug womöglich umhauen könnte.

Als die Schmerzen und meine Einschränkungen in den nächsten Wochen immer größer wurden, habe ich mich in ein Münchener Schmerzzentrum überweisen lassen, wo ich orthopädisch und neurologisch durchgecheckt wurde. Auch hier waren meine Beschwerden klar zu sehen, aber niemand konnte deren Ursache ausfindig machen. Selbst zwei MRT-Aufnahmen (Schädel und HWS/obere BWS) blieben ohne pathologischen Befund. Also überwies man mich weiter. Diesmal in eine neurologische Tagesklinik, wo weitere Tests und auch eine Lumbalpunktion durchgeführt wurden. Leider wieder mit dem selben Ergebnis: Nichts zu finden.

Daraufhin bot mir der Oberarzt, der mich dort behandelte, als quasi letzte Option an, mich in eine Tagesklinik für Schmerzdiagnostik und Schmerztherapie zu überweisen, die wenige Schritte entfernt lag und zur selben Klinikgruppe gehörte. Klinisch-neurologisch gebe es keine Untersuchungen mehr, deren Durchführung in meinem Fall noch sinnvoll sei. In der Schmerz-Tagesklinik gehe es eher darum, für mich geeignete Theapieformen auszuwählen und diese Einheiten dann regelmäßig wahrzunehmen. Angeboten wurden z.B. Entspannungsübungen, Massagen, Ergotherapie, Physiotherapie und psychologische Einzel- bzw. Gruppengespräche.

Spätestens jetzt musste ich einsehen, dass man mit einer ambulanten Schmerztherapie lediglich noch versuchen konnte, meine Schmerzen so gut wie möglich zu lindern und meine Lebensqualität somit wieder ein wenig zu verbessern. Und selbstverständlich musste ich mich fragen lassen, ob es sein konnte, dass meine Beschwerden nicht durch körperliche Probleme hervorgerufen wurden, sondern Ausdruck ungelöster psychischer Konflikte sein könnten. Eigentlich hatte ich diese Möglichkeit ziemlich weit von mir gewiesen. Es gab zwar zu dieser Zeit durchaus psychische Stressoren, mit denen ich etwas zu kämpfen hatte. Aber ich hielt mich und meine mentale Verfassung nicht für so verwundbar, als dass ich mir eine so heftige Reaktion meines Körpers hätte vorstellen können.

Nachdem ich mich in der Schmerzklinik vorgestellt und Rücksprache mit meinem damaligen Arbeitgeber gehalten hatte, nahm ich das Angebot schließlich an. Von August bis November 2012 bin ich immer mittwochs in die Klinik geradelt und habe dort die vereinbarten Anwendungen besucht. Immerhin mit dem Ergebnis, dass ich ab dem Tag, an dem ich die erste Massage erhielt, keine spannungslösenden Schmerzmittel mehr für die Schultern gebraucht habe. Der Nutzen der anderen Therapien war allerdings recht überschaubar. Ich wurde zwar unter anderem von zwei jungen und sehr netten Ergo- bzw. Physiotherapeutinnen behandelt, meine Probleme mit der Fein- und Zielmotorik des rechten Arms und der Finger der rechten Hand hatten sich nach Abschluss der Therapien Anfang November aber nicht nennenswert gebessert.

Am Abschlussgespräch, das ich mit meiner behandelnden Ärztin führte, nahm auch die Psychologin teil, mit der ich mittwochs jeweils 45 Minuten gesprochen hatte. Da alle organmedizinischen Untersuchungen ohne Ergebnis geblieben seien und da es bei mir im Verlauf der letzten Jahre scheinbar zu einigen psychischen Konfliktsituationen gekommen sei, seien sich die beiden einig, dass in meinem Fall eine sog. Dissoziative Bewegungsstörung des rechten Armes (F 44.4) vorliege. Als medizinisch-psychologische Nachsorgeempfehlungen werden im Abschlussbericht der Klinik unter anderem ein "Stationärer Aufenthalt in einer Fachklinik für Psychosomatische Medizin" und eine "Integration der erlernten Schmerzbewältigungsstrategien und der eingeübten Entspannungsmethoden in den persönlichen Ablauf des Patienten" empfohlen.

Nun saß der Ralle da in seinem Stühlchen, hörte den beiden Damen aufmerksam zu und hatte nicht wirklich ein Gegenargument, das er der Diagnose der beiden Fachfrauen entgegenbringen konnte. Obwohl er in seinem tiefsten Innern noch immer große Zweifel hatte, ob mit dieser Diagnose bereits das letzte Wort gesprochen war. Denn eigentlich hatte der Ralle schon immer ein gutes Gespür für seinen Körper gehabt und irgendetwas sagte ihm, dass dieses Abschlussgespräch unter sechs Augen noch nicht das Ende war.

Aber alles Gespür half nichts. Für den Moment hatte ich mich zu fügen und sah mich vor meinem inneren Auge schon einen mindestens sechswöchigen Aufenthalt in einer Psychosomatischen Klinik antreten. Doch mit welchen Hoffnungen und Aussichten auf Besserung würde ich in eine solche Klinik gehen, wenn seit einem Jahr sämtliche Untersuchungen und Therapien ohne Ergebnis bzw. ohne Erfolg geblieben sind? Psychologische Einzelgespräche hatte ich ja bereits während der Schmerztherapie mit einer Diplom-Psychologin geführt. Und diese Gespräche hatten unter anderem einige Ereignisse der vergangenen Jahre zum Thema, die sich möglicherweise negativ auf meine Psyche ausgewirkt haben könnten und die man im Rahmen eines stationären Aufenthalts sicher weiter hätte vertiefen können. Aber ehrlich gesagt konnte ich mir kaum vorstellen, dass ausschließlich diese psychischen Stressoren für meinen damaligen Zustand verantwortlich waren. Und falls doch, wie wollte man meinen Zustand innerhalb von sechs Wochen nachweisbar verbessern? Denn das wäre ein sehr kurzer Zeitraum, wie ich fand, um etwas zu beeinflussen, was sich (vermutlich) innerhalb von zwei, drei Jahren in meine Seele eingebrannt haben musste.

Um es einmal klar gesagt zu haben: Mir fehlte schlichtweg der Glaube, dass sich meine Beschwerden im Rahmen einer rein psychosomatischen Therapie auch nur ansatzweise gebessert hätten. Egal, wie lange und intensiv ich stationär und anschließend ambulant weitertherapiert worden wäre.

Rückblickend haben sich meine Zweifel und mein Gespür als angebracht und richtig erwiesen. Man hat, nachdem alles vieles organische überprüft und ausgeschlossen worden war, bei mir eine psychische Erkrankung diagnostiziert. Das hat mir damals sehr zu denken gegeben. Denn es ist zwar durchaus so, dass meine Psyche und mein inneres Ich manchmal etwas wankelmütig und leicht zu beeinflussen sind. Trotzdem behaupte ich von mir, dass ich innerlich relativ standhaft und gefestigt bin, wenn es darum geht, sich gegen negative und belastende äußere Einflüsse zur Wehr zu setzen. Dass aus dem Ralle nun sozusagen der Psycho-Ralle gemacht wurde, hat mich stark an mir zweifeln lassen. Natürlich ist eine psychische Erkrankung nichts, wofür man sich schämen muss oder etwas, das den Wert eines Menschen verringert. Psychisch Kranke haben weder einen ´an der Klatsche´, noch einen ´Dachschaden´. Aber ich habe mich schon gefragt, wer oder was mich seelisch womöglich so sehr belastet, dass mein Körper derart krass mit manifesten neurologischen Ausfallerscheinungen darauf reagiert.

Ich möchte den Ärzten und sonstigen Therapeuten, die mich bis zum Abschluss der Schmerztherapie untersucht und behandelt hatten, keinen Vorwurf machen. Darum geht es mir nicht. Sie haben viele Untersuchungen gewissenhaft und gründlich durchgeführt und mich gut beraten. Und sie hatten, wenn sie nichts mehr für mich tun konnten, immer gute und sinnvolle Vorschläge parat, was der jeweils nächste Schritt sein könnte. Aber es gibt da eine Frage, über die ich seit einiger Zeit nachdenke und auf die ich bislang keine Antwort gefunden habe. Eine Frage, die den Psycho-Ralle ein klein wenig zum Aggro-Ralle werden lässt. Denn ich glaube, man hätte durchaus schon früher herausfinden können, was mir wirklich fehlt.

Zur Erklärung ein kurzer Rückblick: Ende November 2012 bin ich zurück in die Pfalz gezogen und habe mir dort eine niedergelassene Neurologin gesucht. Sie hat mich regelmäßig gesehen und mir vom Frühsommer 2013 an regelmäßig Ergotherapie verordnet. Nebenher habe ich versucht, den Empfehlungen der Schmerzklinik Folge zu leisten und habe bei der Deutschen Rentenversicherung eine stationäre, psychosomatische Reha beantragt. Als zunächst die Rehamaßnahme an sich und später auch mein Widerspruch abgelehnt wurden, mussten wir uns eine neue Strategie zurechtlegen. Als eine der wenigen Möglichkeiten, die noch vorhanden waren, fiel meiner Neurologin die Kopfklinik der Universität Heidelberg ein. Zuerst war ich etwas skeptisch und glaubte nicht so recht daran, dass eines Tages doch noch irgendjemand eine organisch greifbare Ursache meiner Beschwerden finden würde. Aber im Nachhinein hat sich ihre Idee als goldener Schuss erwiesen, weshalb ich ihr (und auch den Heidelbergern) sehr dankbar bin für alles, was sie für mich getan hat bzw. haben.

Wer nun eins und eins zusammenzählt, kennt die Frage, die mich seit Mitte November 2013 beschäftigt: Wieso bedurfte es eines fähigen Oberarztes der Uniklinik Heidelberg, der mich ca. 15 Minuten untersuchte, meine Anamnese (mündliche Patienten-Vorgeschichte) erfragte und dann die Vermutung äußerte, dass es sich in meinem Fall möglicherweise um einen Morbus Parkinson handeln könnte? Klar, die Heidelberger Kliniken haben einen exzellenten Ruf und immerhin war ich in einer Spezialambulanz für Bewegungsstörungen zu Gast. Aber trotzdem kann ich mir kaum vorstellen, dass man mir in München nicht ebenso hätte weiterhelfen können. Daher frage ich mich schon, wieso mich damals niemand in die dortige Universitätsmedizin überwiesen hat, und warum auch ich selbst nicht auf die Idee gekommen bin. Erfahrene, fähige Ärzte und Dinge wie ein DAT-Scan und ein IBZM-Spect gibt es in der Weltstadt mit Herz auch, gar keine Frage.

Ich habe gehört, man nennt die Multiple Sklerose die ´Krankheit mit den 1000 Gesichtern´. Wenn die MS mit 1000 Gesichtern daherkommt, sind es beim Morbus Parkinson mindestens ein paar Hundert. Behauptet der Kümmelspalter. Denn das Problem an dieser Erkrankung ist, dass es zu Beginn häufig zu sehr unspezifischen Symptomen kommt. Dazu zählen z.B. Muskelverspannungen und Schmerzen im Bereich der Schultern und des Nackens, Haltungsinstabilitäten, eine Bewegungseinschränkung und -verarmung, schlaffe Lähmungen der Finger, Depressionen und einige andere Beschwerden. Gerade bei jungen Patienten unter 60, 70 Jahren denken Ärzte und Angehörige daher zunächst oft an andere mögliche Erkrankungen und es kommt zu Fehldiagnosen. Aus der Rheumatologie und der Orthopädie fallen mir gerade der Morbus Bechterew und der Bandscheibenvorfall ein.

Mein junges Alter war scheinbar mein persönliches Pech. Aber trotz allem habe ich nochmal Glück gehabt, denke ich. Es gibt Patienten, die viel längere und größere Ärzteodysseen hinter sich gebracht und ihre richtige Diagnose bspw. erst nach vier oder fünf Jahren erhalten haben. Das zeigt zum einen, wie wichtig es ist, die diagnostischen Möglichkeiten, die heutzutage verfügbar sind, bei Bedarf voll auszuschöpfen und im Zweifelsfall frühzeitig Spezialisten hinzuzuziehen. Zum andern zeigen Fälle wie meiner auch, dass in der Medizin nichts so unmöglich ist, wie es zunächst scheint. Diese Erfahrung habe ich nun an mir selbst gemacht.

Vielleicht kann ich mit meinem Blog ein wenig dazu beitragen, dass anderen Betroffenen solche Odysseen in Zukunft erspart bleiben und die Öffentlichkeit den Morbus Parkinson mit all seinen möglichen Erscheinungsformen nicht mehr nur als Erkrankung des gehobenen Alters wahrnimmt.

Samstag, 3. Mai 2014

Brüder im Geiste

Wenn ich an meinen stationären Aufenthalt in Heidelberg zurückdenke, fallen mir fast ausschließlich schöne und positive Dinge ein. Natürlich war die erste Woche nicht ganz einfach, weil ich nachts kaum mehr als vier, fünf Stunden geschlafen und mich morgens dann dementsprechend großartig gefühlt habe. Aber auch für dieses Problem haben wir schließlich eine Lösung gefunden.

Ich hätte z.B. nie für möglich gehalten, dass man in einem Krankenhaus innerhalb von 16, 17 Tagen so viele nette und sympathische Menschen kennenlernen kann. Der Kontakt und der Austausch mit diesen Leuten haben mir wirklich sehr geholfen. Natürlich ist es gut, wenn man den Krankenhausalltag mit ein wenig Leben füllen kann. Aber das war gar nicht mal das Entscheidende für mich. Viel wichtiger war mir, dass all diese Menschen mit chronischen Erkrankungen leben und dass sie in ihrem Leben schon einiges durchgemacht haben. Trotzdem haben sie den Mut und die Zuversicht nicht verloren. Das zeigt mir, dass es auch für mich nur einen Weg geben kann, und zwar den nach vorne!

Klar, derzeit durchlebe ich auch Phasen, in denen es mir nicht besonders gut geht. Ich bin 31 Jahre alt und hatte mir das junge Erwachsenenalter anders vorgestellt, als dauerhaft auf Tabletten und Hilfsmittel angewiesen zu sein. Aber ich denke, es ist normal, dass es solche Phasen gibt. Wenn man sich offen und bewusst mit einer Erkrankung auseinandersetzt, sollte man alle Aspekte in seine Überlegungen miteinbeziehen, die positiven als auch die negativen. Es kommt darauf an, aus dem, was am Ende dabei herumkommt, die richtigen Schlüsse zu ziehen und den richtigen Weg zu wählen. Ich versuche immer, mir klar zu machen, dass viele andere (junge) Menschen ebenfalls krank sind und es trotzdem schaffen, etwas aus sich und ihrem Leben zu machen. Einfach aufgeben ist nicht. Wie heißt es so schön: ´Die Krankheit muss mit mir leben, nicht ich mit der Krankheit!´

Einer dieser Menschen mit einer vorbildlichen Einstellung ist Sandra. Aufgrund einer MS-Erkrankung ist sie dauerhaft auf den Rollstuhl angewiesen. Schwierig zu sagen, was ich an ihr am liebsten mag. Ich glaube, vielleicht ist es einfach ihre Art. Sie ist eine total aufgeschlossene und umgängliche Person, die über eine sehr genaue und intensive Beobachtungsgabe verfügt. Kennengelernt habe ich Sandra 2009 an der Uni. Mittlerweile arbeitet sie in Heidelberg und wäre bereit, für mich den Kontakt zu einem Mitarbeiter eines Sanitätshauses herzustellen, der sich ihrer Meinung nach sehr gut mit der Rollstuhl-Versorgung auskennt. Wie es der Zufall so wollte hat sich während meines stationären Aufenthalts herausgestellt, dass Sandras Mutter auf der Station lag, die unmittelbar an meine Station grenzte. So haben wir uns lose verabredet und ich habe mich sehr gefreut, als wir uns eines Nachmittags auf dem Gang meiner Station über den Weg gerollt sind. Wir haben uns etwas zu trinken geschnappt und uns über eine Stunde lang sehr gut unterhalten. Schade, dass wir ein Stück weit auseinander wohnen. Spätestens, wenn ich von meiner Reha zurück bin, möchte ich Sandra mal besuchen und auch den Mitarbeiter des Sanitätshauses kennenlernen.

Eine ebenso liebenswerte Person ist Sabine. Sie habe ich kennengelernt, als sie ihre Mutter auf die Station hochbrachte, auf der auch ich gelegen bin. Zunächst sind wir ein wenig ins Gespräch gekommen. Ich hatte gerade etwas Zeit und blätterte in ein paar Zeitschriften, die auf dem Gang auf einem Tisch lagen, während ihre Mutter auf die stationäre Aufnahme wartete. Ich glaube, es war noch keine Viertelstunde vergangen, als wir uns auf das ´Du´ einigten. Sabine war vor einiger Zeit selbst schwer krank gewesen und kehrte nun mit ihren Eltern auf die Station zurück, auf der sie selbst länger gelegen hatte. Als ich ihre damaligen Diagnosen erfahren habe, mit deren Folgen sie sich noch heute herumschlägt, ist mir erstmal die Kinnlade runtergefallen. Aber ich finde, sie schlägt sich hervorragend und hat genau die richtige, positive Einstellung. Was mir außerdem sehr gefallen hat ist ihre spontane und fröhliche Art. Sie hatte eigentlich immer ein Lächeln auf den Lippen und hat sich nicht ein einziges Mal über irgendetwas beklagt. Einmal saß ich nachmittags auf meinem Bett und war dabei, einen neuen Blogeintrag zu verfassen. Mit Stöpseln und Musik in den Ohren hatte ich nicht gehört, dass Sabine an unsere Tür geklopft hatte. Plötzlich stand sie vor meinem Bett. "Wir sitzen noch etwas draußen am Tisch und sind dann noch einen Moment bei meiner Mutter im Zimmer. Setz´ dich doch zu uns, wenn du magst!?" Logisch, dass ich nicht lange überlegt habe, ob ich mich anschließen möchte. Übrigens ist sie wie ich gelernte PTA, auch wenn sie inzwischen nicht mehr in der Apotheke arbeitet. Und ihre Eltern sind mindestens ebenso umgänglich und sympathisch.

Was ich bis vor kurzen nicht wusste: Ich habe noch einen Bruder. Zwar keinen weiteren leiblichen, aber einen im Geiste. Und auch er ist jemand, der mich mit seinem Optimismus und seiner Zuversicht ein Stück mitgerissen hat. Mehrad ist Anfang Zwanzig. Seine Eltern sind Iraner, die Familie lebt aber schon lange in Deutschland. Ursprünglich hat er eine Ausbildung zum Bankkaufmann absolviert, arbeitet aber schon ein paar Monate nicht mehr in diesem Job. Sein Traum ist es, Schauspieler zu werden, außerdem modelt er gerne. Ich habe ihn eines Nachmittags zufällig auf der Station getroffen. Er saß an dem Tisch, der drei oder vier Meter seitlich des großen Fernsehapparates steht, und an einem Infusionsständer hing eine Cortison-Infusion, die über einen dünnen Schlauch in eine seiner Venen lief. Wie es unter jungen Leuten meistens so ist, kommt man lose ins Gespräch. Seit zwei Jahren habe er inzwischen die Diagnose MS, erzählte er, und komme nun über drei Tage ambulant auf Station, um sich jeweils eine Infusion anhängen zu lassen. Mehrad weiß viel über seine Erkrankung und ist sich darüber bewusst, welche Verlaufsformen sie nehmen kann. Trotzdem lässt er sich davon nicht beeindrucken und ist ein absolut positiver Mensch, der mutig und unverdrossen seinen Träumen hinterherjagt. Zum Trübsal blasen ist keine Zeit. Das gefällt mir sehr an ihm! Als er mir zum ersten Mal davon erzählt hat, dass er modelt und schauspielern möchte, wusste ich nicht so recht, was ich dazu sagen sollte. Einerseits wollte ich ihm gerne etwas nettes und aufmunterndes sagen. Andererseits war und ist mir aber auch klar, wie viele junge Leute ebenfalls von einer großen Karriere träumen und wie schwer es ist, in diese Branche einzusteigen, geschweige denn dort Fuß zu fassen. Als er mir jedoch ein paar seiner Modelbilder gezeigt hat, musste ich meine Zweifel doch ein wenig überdenken. Die Aufnahmen wirkten sehr stylisch und professionell, und auf einigen Bildern haben mich seine Gesichtszüge deutlich an George Clooney und Sylvester Stallone erinnert. Was mir jedoch am besten in Erinnerung geblieben ist, ist etwas anderes. Wir hatten es von unseren Erkrankungen und waren uns mal wieder einig, dass wir trotz allem das Beste aus der Situation machen werden und dass unser Weg nur nach vorne führen kann, als Mehrad zu mir sagte: "Das sehe ich genauso. Hey man, du bist mein Bruder!" Weil ich weiß, welche Bedeutung das Wort ´Bruder´ für einen Perser hat, fühle ich mich noch immer sehr geschmeichelt.

Aber auch mit vielen anderen Menschen bin ich sehr gut ausgekommen. Insgesamt habe ich mich in der Klinik sehr gut aufgehoben gefühlt und bin den Mitarbeitern dort sehr dankbar, dass sie fachlich wie menschlich sehr qualifiziert und jederzeit ansprechbar waren. Ganz gleich, ob sie der Ärzteschaft, dem Pflegepersonal, der Physiotherapie oder dem Sozialdienst angehörten.

Gestern habe ich in Allensbach angerufen. Nachdem ich bereits seit einer Woche einen Bewilligungsbescheid der Deutschen Rentenversicherung über eine vierwöchige, stationäre Rehamaßnahme vorliegen habe, wollte ich nicht länger warten und den Stand der Dinge erfragen. Der Herr von der Belegabteilung informierte mich, dass ich auf der Liste der zeitnah aufzunehmenden Patienten geführt werde und es ca. Mitte Mai werden würde, bis man mich aufnehmen könne. Und ich käme nun doch nicht in die Klinik nach Allensbach, sondern nach Konstanz. Nunja. Eigentlich hatte die Dame des Sozialdienstes der Uniklinik Heidelberg gesagt, ich solle die Reha spätestens zwei bis drei Wochen nach der Entlassung aus der Klinik antreten. Aber gut, ich kann es nicht ändern. Und in welche Klinik ich gehe, ist mir sowieso ziemlich egal. Ich bin jedenfalls gespannt, ob mir der Aufenthalt in Konstanz ähnlich gut gefallen wird wie der in Heidelberg.

Donnerstag, 1. Mai 2014

Ein Taxi gen Himmel

Für gestern Mittag, 12:15 Uhr, hatte ich in der Praxis meiner niedergelassenen Neurologin einen Termin vereinbart. Es ging darum, die Ärztin zu informieren, wie es mir momentan geht, wie ich mit den Tabletten klarkomme und darum, zu fragen, ob ich die aktuelle Dosis steigern kann und soll. Zu meiner Überraschung habe ich erfahren, dass der vorläufige Arztbericht der Uniklinik Heidelberg noch immer nicht in der Praxis vorliegt. Was mich ziemlich gewundert hat, denn bei meiner Entlassung am 11. April habe ich als Patient ein Exemplar erhalten und dachte, drei weitere Ausführungen müssten nur noch an die drei von mir angegebenen Arztpraxen verschickt werden.

Aber gut. Der Rest des Gesprächs war eigentlich relativ unspektakulär. Das einzig erwähnenswerte ist, dass ich die Dosis der Tabletten ab heute schrittweise erhöhen soll. Bisher habe ich Pramipexol 0,18 mg im Schema 1/2 - 1/2 - 1/2 genommen. Der Plan, den ich gestern bekommen habe, sieht vor, dass ich es ab heute im Schema 1 - 1 - 1, ab dem 7. Mai im Schema 2 - 2 - 2 und ab dem 21. Mai im Schema 3 - 3 - 3 nehmen soll. Und damit ich während der Reha in Allensbach auch genug Tabletten dabei habe, hat mir meine Neurologin vorsichtshalber eine 100er-Packung verordnet. Hoffentlich vertrage ich die höheren Dosen so gut, wie ich die bislang eher niederen Dosen vertragen habe!

Bevor ich auf dem Rückweg ans Auto bin, habe ich mir in einem Ludwigshafener Einkaufszentrum noch ein Pfund Kaffee und zwei Fischsemmeln geleistet. Da ich noch nicht allzu viel Hunger hatte dachte ich mir, ich könne mein Vehikel auf dem Heimweg irgendwo abstellen und eine kurze Rast machen. Meine Wahl fiel schließlich auf den Platz, auf dem jedes Jahr im September das größte Weinfest der Welt stattfindet. Dort angekommen, fuhr ich ein paar Meter in Richtung der Platzausfahrt und stellte dann den Motor ab. Erst spät bemerkte ich, dass ca. 50 Meter links von mir ein mir gut bekanntes Flugobjekt gelandet war: ein dunkelgelber Hubschrauber mit der Aufschrift ADAC. Es konnte sich eigentlich nur um den Rettungshubschrauber Christoph 5 handeln, der an der BG-Unfallklinik in Ludwigshafen-Oggersheim stationiert ist. Scheinbar war der hiesige Notarzt bereits anderswo im Einsatz oder man hatte den Hubschrauber zusätzlich angefordert, um bspw. einen möglichst schonenden Transport eines Notfallpatienten sicherstellen zu können. Um die Maschine herum waren vier rot-weiße Hütchen aufgestellt und es war niemand zu sehen. Ich kramte eine der beiden Semmeln aus der Tüte, legte mir eine Serviette auf den Schoß und begann, die Semmel zu verzehren. Keine drei Minuten später war von irgendwoher plötzlich ein allmählich lauter werdendes Martinshorn zu hören, und kurz darauf konnte ich einen Rettungswagen (RTW) im Rückspiegel sehen. Er kam näher, hielt neben dem Hubschrauber an und einen Augenblick später wurde ein Mann auf einer Trage aus dem Fahrzeug geholt.

Bis hierhin war eigentlich nichts passiert, was man unbedingt in einem Blog veröffentlichen muss. Ein schwer erkrankter oder verunfallter Mensch wurde notfallmedizinisch versorgt und mit einem Helikopter in eine Klinik geflogen. Eine Versorgung, wie sie sich in Deutschland jedes Jahr tausende Male abspielt. Natürlich ist das ein recht spektakulärer Anblick, wenn der Pilot die Turbinen anlässt und so eine Maschine abhebt, keine Frage. Aber trotzdem ist es nicht so, dass ich etwas verpasst hätte, wenn ich nicht vor Ort gewesen wäre. Scheinbar sahen das vier ältere Herrschaften wohl etwas anders. Zwei Damen und zwei Herren. Für sie war das alles unglaublich spannend und faszinierend, was da gerade passierte. Und darum geht es mir. Deswegen schreibe ich hier darüber.

Ich sage es gleich vorweg: Sie haben niemanden bei der Arbeit behindert und sie haben auch kein Portraitfoto des Patienten geschossen. Aber muss das sein, dass man nicht mal 50 Meter vom Geschehen weg steht und glotzt, als werde gerade der erste Helikopter der Luftfahrtgeschichte in Betrieb genommen? Zunächst waren sie aus einiger Entfernung auf die Maschine zugelaufen und blieben dann stehen. Als kurz darauf der Rettungswagen vor Ort war, kamen sie noch ein Stück näher, sodass sie die Schiebetür des Christoph 5 schließlich direkt im Blick hatten. Und da die Versorgung und das Umladen des Patienten einen Augenblick dauerten, fanden sich weitere Schaulustige ein. Hinten schräg rechts auf Höhe des RTW standen ein älterer Herr und seine Begleiterin, und von vorne kam ein junger Mann angelaufen, der ein Mobiltelefon in der Hand hielt. Alle starrten gebannt geradeaus, während ich meine Semmel zu Ende kaute und überlegte, ob ich unterwegs noch etwas zu besorgen hatte. Als die Rettungskräfte den Patienten wenig später mitsamt Equipment im Helikopter untergebracht hatten und alle Türen verschlossen waren, startete der Pilot die Triebwerke. Die Rotorblätter begannen, sich immer schneller zu drehen, es wurde ziemlich laut und schließlich erhob sich das gelbe Taxi gen Himmel. Ich muss nicht erwähnen, dass der junge Mann es sich nicht nehmen ließ, währenddessen sein Telefon in die Höhe zu halten und das Spektakel zu filmen, oder?

Dem Patienten wünsche ich eine rasche und gute Besserung!

Montag, 28. April 2014

Einfach und schön

Es könnte alles so schön und so einfach sein. Die letzten Tage hatte es größtenteils allerbestes Wetter mit Sonne satt und Temperaturen jenseits der 20 Grad. Die Bäume entlang der Weinstraße stehen schon seit Wochen in voller Blüte und die Eiscafés in den Städten laden zum Verweilen ein. Bis Donnerstag waren mein Bruder aus Köln und meine Schwester aus Berlin zu Besuch in der alten Heimat und haben unter der Woche mit uns und einigen Freunden die Geburtstage meiner Mutter und meiner jüngsten Schwester gefeiert. Darüber hinaus haben wir am letzten Montag bei Muttern die Ostertage mit dem ersten Grillevent des Jahres beschlossen.

Die letzte Woche hatte also einiges zu bieten und lieferte einen Vorgeschmack auf den möglicherweise bevorstehenden WM-Sommer. Und ich hätte diese schöne Zeit auch gerne ausgekostet und mich daran erfreut, dass es abends wieder recht lange hell ist und scheinbar eine gewisse Leichtigkeit ins Leben der Menschen zurückgekehrt ist. Konnte ich aber leider nicht wirklich. Denn seit ich aus Heidelberg zurück bin, schlage ich mich mit meinen körperlichen Beschwerden herum.

Am meisten zu kämpfen habe ich mit meinem Bein und hatte ich mit sehr schmerzhaften Schulter- und Nackenverspannungen. ´Hatte´, weil ich für Donnerstag einen Termin bei meinem Schmerztherapeuten habe bekommen können. Am liebsten hätte ich mir das Ropivacain schon während meines stationären Aufenthaltes in der Uniklinik Heidelberg unter die Haut spritzen lassen. Aber zum einen wurde mir dort stets gesagt, man wolle noch diese und jene Untersuchung abwarten, bevor man es mir verabreichen würde. Und zum andern dachte ich mir dann doch, die Schmerzen seien noch nicht zu stark und ich könne es schon noch etwas aushalten, bevor ich um die Injektionen bitte. Sei´s drum. Bisher bin ich in der Schulter und im Nacken zwar noch nicht ganz schmerzfrei, aber wenn ich mich richtig erinnere hat es beim letzten Mal auch ein oder zwei Tage gedauert, bis die Schmerzen abgeklungen waren.

Zur Therapie der Beschwerden, die mein Bein verursacht, existiert leider keine so einfach verfügbare Zauberformel. Mein deutlich sichtbarer Gehfehler geht mir gewaltig auf den Keks und kostet mich einiges an Kraft. Neulich hatte ich in der Stadt, in der ich regelmäßig einkaufe, ein paar Dinge zu besorgen. Innerhalb von zwei Stunden war ich in drei Supermärkten und einem Getränkemarkt unterwegs und war hinterher total platt. Zu Beginn bin ich immer recht gut zu Fuß unterwegs und kann mich relativ normal bewegen. Aber nach ca. einer halben Stunde ist es dann vorbei und ich bin froh, dass meine Schwierigkeiten weniger auffallen, wenn ich einen Einkaufswagen vor mir her schiebe. Mein Bein wird immer schwerer und es kostet mich viel Kraft, es anzuheben, einen Schritt nach vorne zu machen und einfach ein paar Meter geradeaus zu gehen. Teilweise gelingt es mir gar nicht, dann gehe ich mit dem linken Bein einen Schritt nach vorne und ziehe das rechte Bein irgendwie nach. In Heidelberg habe ich an einem Sonntagnachmittag das tolle Wetter genutzt und bin im Neuenheimer Feld etwas spazieren gewesen. Es hatte bestimmt 25 Grad und ich habe die Chance genutzt, mal aus dem Bau rauszukommen und mir irgendwo unterwegs ein Eis zu leisten. Zunächst war auch alles gut und die ersten fünfzehn, zwanzig Minuten war ich recht zügig unterwegs. Danach wurde mein Tempo stetig langsamer und ich musste mich richtig auf das Gehen konzentrieren. Aber das bin ich inzwischen gewohnt und kann damit umgehen. Das ist eben mein momentaner Zustand, an dem ich weiter arbeiten muss. Was mich allerdings vor große Herausforderungen stellte, waren die letzten 300 oder 400 Meter zurück Richtung Haupteingang. Meine Beine wurden plötzlich schwer wie zwei große Zementstücke und ich habe es kaum mehr geschafft, einen Fuß anzuheben und ihn vor den anderen zu setzen. Ich fühlte mich müde und erschöpft und hätte mich erstmal gesetzt, wenn es am Wegesrand irgendwo eine Bank gegeben hätte. So aber hatte ich zwei Möglichkeiten: Entweder, ich beiße mich durch und bewältige das letzte Stück zur Klinik zu Fuß, oder ich spreche irgendjemanden an und bitte um Hilfe. Für einen Moment habe ich wirklich überlegt, ob ich nicht besser wen ansprechen soll. Aber was sollte derjenige tun? Und wie sähe das aus, wenn z.B. jemand mit einem Rollstuhl aus der Klinik käme und mich einsammeln würde!? Nein, das musste ich nicht wirklich haben. Also habe ich meinen Beinen den Marschbefehl erteilt und bin bis zu meiner Klinik gelaufen. Dort habe ich als erstes an der Caféteria im Erdgeschoß Halt gemacht und mich mit einem wohlverdienten Eis in der Hand in die Sonne gesetzt, bevor ich eine Viertelstunde später mit dem Aufzug hoch auf Station gefahren bin.

In dieser Situation habe ich mich zum ersten Mal richtig hilflos gefühlt. Mein Körper hat mir signalisiert, dass er nichts mehr zuzusetzen hat und dass er dringend eine Auszeit braucht. Das hat mich recht nachdenklich gemacht, denn obwohl ich mich zurzeit noch für relativ jung und einigermaßen leistungsfähig halte, frage ich mich doch, wie es mir in fünf oder zehn Jahren gehen wird.

Zumindest habe ich mir inzwischen vorgenommen, dass sich so etwas nicht noch einmal wiederholen wird. Deshalb habe ich mir selbst eine Frist gesetzt: Sollte sich mein Gangbild bis nach der Reha nicht zumindest ein wenig bessern und sollte ich nach wie vor solche Probleme mit dem Laufen haben, werde ich mir von meiner niedergelassenen Neurologin oder von den Neurologen der Uniklinik Heidelberg einen Aktivrolli verordnen lassen. Ich weiß nicht sicher, wer dafür zuständig wäre, aber das würde ich dann schon herausfinden. Und bevor gleich die Mahner und die Besserwisser auf der Matte stehen: Ich weiß, dass eine Rollstuhl-Verordnung ein Rückschritt ist für jemanden, der bisher noch gelaufen ist. Ziel muss und sollte immer sein, vorhandene Mobilität zu erhalten und, wenn möglich, zu verbessern. Ich weiß aber auch, dass ich mich nicht quälen muss, nur weil ich länger als 30 Minuten irgendwo zu Fuß unterwegs bin. In Fällen wie diesem würde ein Rollstuhl keinen Rückschritt, sondern eine Unterstützung für mich bedeuten. Außerdem hätte ich sicher nicht vor, von morgens bis abends ohne Unterbrechung in dem Teil zu sitzen. Er wäre hauptsächlich für längere Distanzen gedacht, bei denen ich schon vorher absehen kann, dass ich zu Fuß irgendwann Probleme bekommen werde.

A propos Reha. Mir ist am Freitag ein Bescheid ins Haus geflattert: "Sehr geehrter Herr ..., wir freuen uns, Ihnen eine stationäre Leistung zur medizinischen Rehabilitation für die Dauer von 4 Wochen bewilligen zu können." Es geht nach Allensbach am Bodensee, etwas nordwestlich von Konstanz gelegen. Den Aufnahmetermin wird mir die Klinik noch mitteilen. Nachdem ich am Donnerstag bereits ein Info-Schreiben im Briefkasten hatte, mein Antrag sei eingegangen und werde geprüft, ging es jetzt doch sehr flott mit der Bewilligung. Ich hoffe sehr, dass mich der Aufenthalt dort ein Stück weiter bringen wird.

Ein weiteres Problem, welches ich nach der Reha klären möchte, ist meine Inkontinenz-Versorgung. Im Spätjahr 2013 habe ich mir vom offiziellen (und leider einzigen) Versorger, den meine Krankenkasse mit der Versorgung ihrer Inkontinenz-Patienten beauftragt hat, einige Produktmuster zum testen schicken lassen. Der Sendung lagen unter anderem einige schriftliche Informationen bei. So wurde ich bspw. mit einem Schreiben darüber informiert, die Versorgung müsse nach dem in §12 des Sozialgesetzbuchs (Teil 5) festgelegten Wirtschaftlichkeitsgebot ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein. Nicht erforderliche oder unwirtschaftliche Leistungen dürften nicht zu Lasten der Krankenkasse abgerechnet werden. Natürlich gäbe es Anforderungen an die Qualität der Produkte. Eine "einwandfreie Beschaffenheit und Funktionsfähigkeit der Produkte" sei jedoch von meinem Versorger sichergestellt, somit würde ich im Regelfall mit den Standard-Produkten ohne Aufzahlung "einwandfrei" versorgt sein. Nunja. Wenn man sich diese Standard-Podukte einmal betrachtet und sie einem Alltagstest unterzieht, wird man sich ernsthaft fragen, was manche Menschen unter einer einwandfreien Versorgung verstehen. Und jeder von einer Inkontinenz Betroffene wird sich fragen, warum er sich nicht einfach eine Plastiktüte aus dem Supermarkt zwischen die Beine bindet. Die fühlt sich nämlich ungefähr genauso diskret und ebenso saugfähig an.

Um einmal klar zu sagen, was Sache ist: Die einzelnen Unternehmen bewerben sich bei den öffentlichen Ausschreibungen der Krankenkassen. Nach welchen Kriterien sie dann von der Kasse eine Zusage erhalten oder abgelehnt werden, weiß ich nicht. Aber sobald sie mit von der Partie sind versuchen sie natürlich, möglichst vielen Versicherten dieser Krankenkasse ihre billigen Standard-Produkte anzudrehen. Ihre Kalkulation zielt darauf ab, möglichst viele Versicherte kostengünstig zu versorgen und die Anzahl derer, die einer kostenintensiven Versorgung bedürfen, möglichst gering zu halten. Unternehmerisches Kalkül eben. Solange ich (viel) mehr Kunden habe, die ich günstig beliefern kann und die mich wenig kosten, habe ich alles richtig gemacht. Ob die Betroffenen dabei mit meinen Produkten zufrieden sind und ob diese qualitativ wirklich etwas taugen, ist mir ziemlich egal.

Mein Versorger räumt mir allerdings die Möglichkeit ein, qualitativ höherwertige Produkte zu beziehen, falls ich mit den Standard-Produkten (bspw. wegen einer allergischen Hautreaktion) nicht zurechtkomme. In diesem Fall bedürfe es allerdings einer erneuten Beratung und ggf. einer medizinischen Prüfung. Sprich: Ich muss mindestens ein ärztliches Attest vorlegen, warum ich ein anderes, besseres Produkt benötige. Ob ich mich möglicherweise einer ärztlichen Prüfung unterziehen muss, die von meiner Krankenkasse oder meinem Versorger veranlasst wird, weiß ich nicht. Sollte ich jedenfalls ohne besonderen Grund ein anderes Produkt als das aufzahlungsfreie Standard-Produkt haben wollen, müsse ich die entstehenden Mehrkosten selbst aufbringen. Die im Übrigen recht happig sind. Als Beispiele seien 28,88 € für 3 x 30 Tena Slip Plus und 58,83 € für 4 x 12 Tena Pants Super genannt. Jeweils Größe M, Stand Ende Oktober 2013.

Derzeit habe ich mich um andere Dinge wie bspw. die anstehende Reha zu kümmern. Aber ich werde mich auf keinen Fall kampflos geschlagen geben, soviel ist sicher!