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Dienstag, 24. Juni 2014

Sag zum Abschied leise Servus

Leider sind in den letzten Tagen einige Mitpatienten abgereist, mit denen ich mich ziemlich gut verstanden habe. Einer von ihnen war Uli, der nach einem Schlaganfall zur Reha hier gewesen ist und jetzt mit seiner Frau noch ein paar Tage an der Nordsee verbringt.

Uli muss man einfach mögen. Ein total unkomplizierter, kumpelhafter Typ, mit dem man über Gott und die Welt philosophieren kann. Während unserer gemeinsamen Zeit hier haben wir uns nicht nur die Tischtennisbälle, sondern auch einige mehr oder weniger anständige Witze um die Ohren gehauen. Als krönenden Abschluss hat er kurz vor seiner Abreise sogar noch dafür gesorgt, dass ich keinen Hunger leiden muss, indem er mich in der Stadt zu einer Tasse Kaffee und einem Stück Kuchen eingeladen hat. Für sich selbst beließ er es bei einem Kaffee. Was zeigt, dass er während seines Aufenthalts gelernt hat, verantwortungsvoller mit sich und seinem Körper umzugehen. Er stuft den Schlaganfall als ernstes Warnsignal ein und möchte in Zukunft mehr Sport treiben, sich bewusster ernähren, überschüssige Pfunde abbauen und Stress so gut es geht vermeiden. Dafür zolle ich ihm Respekt und wünsche gutes Gelingen!

Seit Uli nicht mehr da ist muss ich mir fürs Tischtennis neue Mitspieler suchen. Bisher habe ich ab und an mit Birgit die Schläger geschwungen und war froh, eine sehr gute Spielerin gefunden zu haben und mich abends noch etwas bewegen zu können. Leider ist Birgit zurzeit nicht einsatzfähig, da sie sich mit Rückenbeschwerden herumplagt. Umso besser traf es sich, dass ich mich neulich vier, fünf sehr netten Damen habe anschließen dürfen, die sich gelegentlich treffen und gemeinsam Rummikub spielen. Bei schönem Wetter sitzen wir auf der Terrasse des klinikeigenen Cafés und genießen den Blick auf den Bodensee, dessen Ufer keine 100 Meter entfernt ist.

Am letzten Dienstag habe ich zum ersten Mal am Rollitraining in der Sporthalle teilgenommen. Für heute, 13 Uhr, stand nun die nächste Übungseinheit in meinem Therapieplan. Letzte Woche hatten zwei Physiotherapie-Schülerinnen einen Parcours aus verschiedenen Aufgaben aufgebaut, der zu absolvieren war. So musste man z.B. mit dem Rolli eine gerade Linie entlang fahren, einen Ball aus einer gewissen Entfernung in einen kleinen Rollkorb werfen oder mit dem Stuhl über eine kleine Kante auf ein Hindernis hinauf fahren. Und auch heute wurden wieder einige Alltagssituationen nachgestellt und zum Üben angeboten, die Rollstuhlfahrer tagtäglich zu bewältigen haben. Dabei wurden die beiden jungen Damen von einer ausgelernten Physiotherapeutin tatkräftig unterstützt und angeleitet. Aber obwohl ich mit meinem Übungsrolli recht gut zurechtgekommen bin und die beiden Einheiten durchaus Spaß gemacht haben werde ich nicht vergessen, dass ich zuhause so lange wie möglich ohne Rolli mobil sein möchte. Den Stuhl, den ich bekommen werde, sollte und werde ich nur dann nutzen, wenn ich mit meinem rechten Bein wirklich nicht mehr vorwärts komme.

Seit heute Vormittag ist geklärt, dass ich am kommenden Dienstag nach Hause fahren werde. Genau vier Wochen werden es dann gewesen sein, die ich hier verbracht habe. Dass ich keine Verlängerung um ein oder gar zwei Wochen beantragen möchte, habe ich schon vor einigen Tagen entschieden. Ich werde zwar ein wenig traurig sein, wenn ich den vielen netten Leuten ´Lebewohl´ sagen muss, die ich hier bislang kennenlernen durfte. Aber ansonsten werde ich ehrlich gesagt nicht allzu viel vermissen. Dazu kommt, dass ich mich daheim für eine Stelle bewerben will. Ich möchte endlich mal wieder ein paar Stunden arbeiten gehen, mein eigenes Geld verdienen und irgendwo auch wieder einen geregelten Tagesablauf haben. Außerdem ist mein Krankengeld Anfang Juni ausgelaufen und ich habe keine Lust, länger als unbedingt nötig von Hartz IV zu leben.

Ich glaube, ich werde einmal tief durchatmen und drei Kreuze an die Wand malen, wenn ich am Dienstag im Zug sitze.

Dienstag, 17. Juni 2014

Anspruch und Wirklichkeit

Mit meinen Therapeuten und deren Anwendungen bin ich soweit eigentlich recht zufrieden. Allerdings gibt es auch Einheiten, deren Anforderunsgrad gerne noch ein wenig höher sein dürfte. Dazu zählt unter anderem eine Therapie, von der ich mir am meisten versprochen hatte: die Physiotherapie.

Wenn ich an meinen Krankenhausaufenthalt in Heidelberg zurückdenke, gerate ich noch immer ins Schwärmen von der großartigen Physiotherapie, die ich dort erhalten habe. Mein dortiger Therapeut hat wirklich einen super Job gemacht und ich habe sehr von seiner Erfahrung und seinem Wissen profitiert. Die Einheiten, die ich bei ihm absolviert habe, haben mir jedesmal gezeigt, was für junge Parkinson-Patienten wie mich wichtig ist. Das sind erstens große, weite Bewegungen mit den Armen und dem Oberkörper sowie eine aufrechte Körperhaltung. Zweitens kommen geeignete Übungen für die Motorik und die Koordination der Beine hinzu und drittens sollten ein paar kräftigende und dehnende Elemente nicht fehlen. Zu seinem sehr guten Programm kam hinzu, dass er fast täglich bei mir im Zimmer stand und gefragt hat, ob ich Zeit und Lust habe, er hätte gerade Zeit für mich. Und wenn ich später zurück auf mein Zimmer gelaufen bin konnte ich deutlich nachspüren, dass der gute Mann mich ordentlich aus meinen Fischgräten gestoßen hat.

Hier in Konstanz ist mein Programm bisher deutlich weniger anstrengend. Bei meiner Physiotherapeutin absolviere ich Übungen, die mich körperlich nicht wirklich besonders beanspruchen. Das setze ich für eine gute Physiotherapieeinheit zwar nicht unbedingt voraus. Aber ein wenig intensiver und fordernder dürften die Einheiten gerne sein. Und genau da liegt der Hase im Pfeffer. Meine Therapeutin ist der Meinung, ich müsse mir ein intensives Sport-Programm in meiner Freizeit selbst organisieren. Ich hingegen denke, dass man mit einer guten Therapie schon einiges abdecken könnte. Gott sei Dank habe ich zwei Mitstreiter gefunden, mit denen ich abends ab und an noch ein wenig um die Tischtennisplatte in der Sporthalle herumspringen kann.

Was mir auch nicht ganz gefallen hat ist die Tatsache, dass ich darum bitten musste, am Nordic Walking und an der Tischtennis-Gruppe teilnehmen zu können. Diese beiden Angebote hätten für jemanden wie mich, der in seiner Bewegung verlangsamt und verarmt, aber durchaus körperlich belastbar ist, vom ersten Tag an eingeplant werden können.

Auch an zwei Dingen, die hier im Haus Standard zu sein scheinen, störe ich mich ein wenig. Das eine ist, dass ich meine Stationsärztin recht selten zu Gesicht bekomme. Am Tag meiner Anreise war ich zu einer ersten ärztlichen Untersuchung bei ihr und habe sie anschließend noch einmal bei der Visite gesehen, die einmal in der Woche stattfindet. Für mich ist das deshalb nicht ganz unwichtig, weil ich laut des ärztlichen Abschlussberichts der Uniklinik Heidelberg die Dosis meiner Tabletten eigentlich regelmäßig steigern soll. Das habe ich auch dem ärztlichen Leiter der Neurorehabilitation mitgeteilt, der mich am dritten Tag meines Aufenthaltes zum Eingangsgespräch gebeten hatte. Für morgen ist in meinem Plan die nächste Visite eingetragen.

Das andere ist etwas, das ich zwar für mich behalten werde, was mir bei meiner Anreise aber trotzdem negativ aufgefallen ist. In meinem Bad lagen nämlich ausreichend Handtücher bereit, ein Stück Seife habe ich aber vergeblich gesucht. Ein Flüssigseifen-Spender war somit das erste, was ich bei meinem ersten Einkauf in der Stadt besorgt habe.

Am Sonntagnachmittag habe ich meine Stationsärztin auf dem Gang getroffen und mich kurz mit ihr unterhalten. Ich habe ihr gesagt, dass nach meinem jetzigen Eindruck mein Aufenthalt hier im Haus nach der vierten Woche zu Ende sein wird und ich auf eine mögliche Verlängerung verzichte. Ich habe ihr aber auch gesagt, dass ich gerne noch einmal über diese Entscheidung nachdenke, wenn man eine fünfte Woche für mich einplant, die mich vom Programm her überzeugt. Immerhin hat sie mir versichert, sie würde schauen, was sie für mich tun kann. Man darf gespannt sein!

Samstag, 14. Juni 2014

Federleicht und viel zu schnell

Inzwischen habe ich noch nicht ganz die ersten zwei Wochen meiner Reha hinter mich gebracht und muss sagen, dass ich mich gut eingelebt und bereits einige Mitarbeiter und Mitpatienten kennengelernt habe. Generell herrscht hier im Haus eine sehr entspannte und angenehme Atmosphäre und man kommt schnell mit anderen Patienten ins Gespräch. Krankheit verbindet eben. Dass alle aus ein und dem selben Grund hier zu Gast sind, erleichtert die Kontaktaufnahme sehr. Beim gemeinsamen Essen im Speisesaal sitzt man öfter mal mit anderen Patienten an einem Tisch, die man bisher noch nicht näher kennengelernt hat. Meist dauert es nicht lange, bis ein Gespräch zustande kommt, und gelegentlich sieht man sich bei Gruppenanwendungen wieder oder trifft sich zu gemeinsamen Freizeitaktivitäten.

Auch über die Qualifikation der Angestellten und deren Ansprechbarkeit kann ich mich absolut nicht beklagen. Fragen werden freundlich und ausführlich beantwortet und auch die Wünsche und Bitten, die ich bisher vorgetragen habe, wurden entgegengenommen und innerhalb kurzer Zeit realisiert. So hatte ich z.B. vor einigen Tagen darum gebeten, am Nordic Walking und an der Tischtennis-Gruppe teilnehmen zu können. Denn zum einen spiele ich sehr gerne mit dem federleichten Tischtennisball und zum andern ist es für mich wichtig, große und weite Bewegungen zu machen, was ich in beiden Gruppen sehr gut trainieren kann. Dazu kommen an der Platte plötzliche und schnelle Richtungswechsel, was der Koordination der Beine und der geistigen Fitness zugute kommt. Eigentlich müsste mein Therapieplan täglich prall gefüllt mit sportlichen Aktivitäten sein. Da er das nicht in dem Umfang ist, in dem ich es mir körperlich zutraute, kümmere ich mich darum, das ein wenig zu ändern. Möglichkeiten, Sport zu treiben gibt es genug: Nordic Walking, die Dehngruppe, Physiotherapie, Tischtennis, Wassergymnastik, die Gleichgewichtsgruppe, das Rückentraining, freiwilliges Schwimmen etc. Einige dieser Anwendungen habe ich sowieso im Therapieplan stehen, an anderen kann ich auf Wunsch zusätzlich teilnehmen. Die halbe Stunde Tischtennis, die ich am Mittwoch zum ersten Mal gespielt habe, war die erste Einheit, die mich körperlich wirklich gefordert und mir richtig gut getan hat. Und am Donnerstagabend haben ein Mitpatient und ich spontan beschlossen, uns vor dem Abendessen in der Sporthalle noch ein paar Bälle um die Ohren zu hauen. Zu bestimmten Zeiten ist die Halle frei zugänglich und darf genutzt werden. Gleiches gilt für das kleine Schwimmbecken nebenan.

Ein Gerät scheint jedoch nichts für mich zu sein: das Laufband. Als ich gestern meine Physiotherapeutin getroffen habe, die mich hier betreut, beorderte sie mich ins Untergeschoss. Dort steht ein Laufband zwischen dem Schwimmbecken und der Sporthalle, auf dem ich eine Einheit absolvieren sollte. Bevor es losging dachte ich mir noch, das sei sicherlich eine gute Möglichkeit, um die Waden- und Oberschenkelmuskulatur sowie die Hand-Fuß-Koordination zu trainieren. Mag auch sein, dass dem so ist, nur habe ich später die Erfahrung gemacht, dass ich mich so schnell nicht wieder auf solch ein Teil stellen werde.

Die Einheit an sich war gar nicht mal das Problem. Das einzig Unvorteilhafte war, dass sich die beiden Haltestangen links und rechts ziemlich tief am Gerät befinden. Das Laufen auf dem Band war okay. Meine Therapeutin startete das Gerät und von Zeit zu Zeit erhöhte sie die Geschwindigkeit, mit der das Band lief. Nach 1000 von mir gelaufenen Metern reduzierte sie das Tempo allmählich wieder und das Band kam zum Stillstand. Die Einheit war beendet und ich stieg vom Gerät herunter. Kaum hatte ich wieder Teppichboden unter den Füßen wurde mir schwindlig. Es kam mir so vor, als ob sich der Boden in dem Tempo bewegen würde, mit dem sich das Band bewegt hatte. Ich torkelte zwei, drei Schritte nach rechts und dann nach links und sofort kamen die Erinnerungen an den L-Dopa-Test in Heidelberg wieder hoch. Im Anschluss an den Test war ich anderthalb Tage im Bett gelegen und plagte mich mit quälendem Schwindel und starker Übelkeit herum. Hoffentlich ging das jetzt nicht wieder los! Ich nahm meinen abgezeichneten Therapieplan und meine Wasserflasche und fuhr mit dem Aufzug auf meine Etage. Dort kontrollierte ich vor dem Schwesternzimmer meinen Blutdruck und nahm mir vor, den Rest des Tages gemächlich anzugehen und zu warten, bis sich der Schwindel etwas legt oder vielleicht auch ganz verschwindet.

Nach meiner letzten Anwendung habe ich gestern Nachmittag dann doch noch etwas unternommen. Ich bin mit dem Bus in die Stadt gefahren und habe ein, zwei Besorgungen gemacht. Aber obwohl sich der Schwindel weitestgehend gelegt hatte und Konstanz durchaus seine Reize hat, habe ich mich dort nicht sehr lange aufgehalten. Was nicht an der Stadt an sich, sondern viel mehr am dort häufig anzutreffenden Typ Mensch lag. Natürlich kann man nicht alle und jeden in eine Schublade packen. Aber mir gefällt dieser Schickimicki-Stil einfach nicht, der scheinbar überall dort zur Schau getragen wird, wo man von vielen anderen gesehen wird und sich entsprechend zeigen kann. Für meinen Geschmack ist die Innenstadt zu gut besucht von leicht bekleideten Menschen, die aufreizend légère durch die Gassen flanieren und den Eindruck vermitteln, als wüssten sie auch heute wieder nicht, für was sie ihr Geld eigentlich ausgeben sollen. Die Touristen wie auch die Schweizer Nachbarn, die bei gutem Wetter mal mehr, mal weniger zahlreich anzutreffen sind, stören mich dabei kaum.

Ich habe übrigens relativ lange überlegt, ob ich mit dem Rolli in die Stadt fahren soll. Nach den unguten Erfahrungen mit dem Laufband war ich doch etwas unrund auf meinen zwei Beinen unterwegs. Letzten Endes habe ich mich aber gegen den Rolli entschieden. Einerseits hatte sich der Schwindel größtenteils gelegt und andererseits habe ich mich nicht so recht getraut, alleine und ohne Übung im Rolli durch die Stadt zu fahren. Vielleicht war es die bessere Entscheidung, zuerst das Training in der Rolli-Übungsgruppe am kommenden Dienstag zu absolvieren und sich dann mehr vorzunehmen. Ich bin schon gespannt, was alles auf dem Programm steht und wie es sich anfühlen wird, wenn ich irgendwann zum ersten Mal alleine mit dem Rolli unterwegs bin.

Mittwoch, 4. Juni 2014

Voller Bauch tut´s auch

Es gibt Dinge im Leben, bei denen man davon ausgeht, dass ein erwachsener Mensch sie beherrscht. Zu diesen Dingen gehört für mich auch die Fähigkeit, sich soweit zu vergewissern und zu orientieren, dass man in einem großen Bahnhof nur in den Fernverkehrszug steigt, den man auch gebucht hat. Gerade wenn es sich dabei um einen ICE handelt. Deshalb habe ich mich gestern etwas gewundert, als ich in meinem Abteil Zeuge einer Unterhaltung wurde, die ein Fahrgast mit einer Ticketkontrolleurin der Deutschen Bahn führte.

Der ICE nach Basel hatte vor einigen Minuten den Mannheimer Hauptbahnhof verlassen und ich saß auf dem Fensterplatz im Wagen 1, den meine Mutter für mich gebucht hatte. Die Schiebetür links von mir öffnete sich und ein Mann, ungefähr 45 Jahre alt, betrat das Abteil mit einem Koffer, den er hinter sich her zog. Einen kurzen Augenblick blieb er stehen und schaute ein wenig verwundert im Raum herum. Dann ging er ein paar Meter weiter und sprach die Dame von der Bahn an. Er suche seinen Sitzplatz, erklärte er ihr und hielt seinen Fahrausweis in ihre Richtung. Er habe zwar schon nach dem Platz gesucht, könne ihn aber nicht finden. Die Frau überflog sein Zugticket einige Sekunden und entgegnete ihm dann: „Sie sind ja auch im falschen Zug!“ Der Mann wusste zunächst für einen Moment nicht, was er sagen sollte. Dann fand er die Fassung wieder und meinte: „Das verstehe ich nicht. Ich habe doch extra nochmal geschaut!“ Das Ende vom Lied war wenig später, dass er ein paar Euro nachzahlte und von der Kontrolleurin ein zusätzliches Ticket mit einer neuen Verbindung ausgestellt bekam, mit der er sein Ziel sogar eine halbe Stunde eher erreichen würde. Was ihn in Mannheim am Bahnsteig möglicherweise irritiert hat war die Tatsache, dass der ICE Richtung Basel, in dem er gelandet war, normalerweise von Gleis 8 verkehrt und gestern ausnahmsweise von Gleis 5 gefahren ist. Auch ich war mit meinem Gepäck schon die ersten Treppenstufen zu Gleis 8 hinauf unterwegs, habe dann aber die Hinweis-Anzeige auf dem Monitor gelesen und wieder kehrt gemacht. Andererseits wurde der Gleiswechsel aber an beiden Gleisen auf den Monitoren angezeigt und auch mehrmals von einer Ansagerin mündlich angekündigt. Insofern hätte er eigentlich bemerken müssen, dass er in den ICE nicht hätte einsteigen dürfen.

Ansonsten verlief meine Anreise absolut störungsfrei und wie geplant. Amüsiert habe ich mich über einen Hinweis, mit dem ein Zugbegleiter die Passagiere per Lautsprecher-Durchsage über folgendes informierte: „Sis train do not stop in Offenburg. Please change at Karlsruhe.“ Respekt! Das hätte selbst Lothar Matthäus nicht besser formulieren können.

Um Punkt 15 Uhr bin ich aus dem Bus gestiegen, der wenige Meter vor dem Haupteingang der Klinik verkehrt. Wie es so üblich ist, führte mich mein erster Weg zur Anmeldung, wo man mich im Verlauf der Aufnahmeprozedur um 39 € erleichterte. 10 € habe ich als Pfand für meinen Zimmerschlüssel hinterlassen und 1 € habe ich für das Schlüsselband gelöhnt. Die restlichen 28 € durfte ich als sogenannte „Kurtaxe“ abdrücken, denn die Stadt Konstanz verlangt seit dem 01.01.2011 für jeden Reha-Patienten eine Gebühr von 2 € pro Tag. Freundlicherweise übernimmt meine Klinik die Hälfte dieser Kosten, wodurch für mich bei 28 Tagen Aufenthalt ein zu zahlender Restbetrag von 28 € entsteht. Vermutlich sind die allermeisten Patienten nicht sonderlich begeistert, wenn sie bei ihrer Anmeldung gleich zur Kasse gebeten werden. Man muss aber fairerweise dazu sagen, dass man als Gegenleistung zur Kurtaxe das Busnetz der Stadt gratis nutzen darf und bei zahlreichen Einrichtungen und Veranstaltungen eine Ermäßigung erhält. Und weil ich nicht immer gut zu Fuß unterwegs bin freue ich mich darüber, dass ich nicht jedes Mal 2,30 € zu zahlen habe, wenn ich mit dem Bus Richtung Hauptbahnhof oder zurück zur Klinik fahren möchte.

An Programm war für den ersten Tag gestern noch nichts für mich angesetzt worden. Ich bekam von einer Schwester ein paar Informationen zur Station und zu den Abläufen im Haus und wurde von der Stationsärztin zur Aufnahmeuntersuchung einbestellt. Soweit ich das bisher beurteilen kann, sind die Mitarbeiter sehr nett und hilfsbereit und bei Fragen jederzeit ansprechbar. Allerdings gibt es auch Dinge, die mir negativ aufgefallen sind und über die ich mich etwas wundere. So ist z.B. mein Bett etwas kurz und schmal geraten. Offenbar hat man sich bei der Ausstattung der Zimmer nicht allzu viele Gedanken darüber gemacht, dass es Patienten geben soll, die größer als 1,75 Meter sind. Wenn man sich nachts zu sehr bewegt oder dreht könnte es passieren, dass man eine Etage tiefer weiterschläft und am nächsten Morgen etwas gegen Kopfschmerzen braucht. Und was mir besonders aufstößt ist das Fehlen einer WLAN-Verbindung auf meinem Zimmer. Wer im Internet unterwegs sein möchte, muss den Laptop, das Smartphone oder was auch immer einpacken und sich draußen im Flur an einen Tisch setzen, der sich möglichst in der Nähe der Internetstation befindet, die sich dort irgendwo befindet. Auf den Zimmern gibt es kein Netz. Da die Klinik über einen sehr guten Ruf in der Fachwelt verfügt wundert es mich schon, dass man den Patienten diesen Service nicht zur Verfügung stellt. Dazu kommt, dass in den Fluren gut sichtbare Hinweistafeln angebracht sind, man möge sich ab 23 Uhr nur noch in seinem Zimmer aufhalten. Wer sich (wie ich bspw.) lieber im Internet aufhält, als in seinem Zimmer vor dem Flimmerkasten zu sitzen, sollte sich seine Tour durch das weltweite Netz so einteilen, dass er spätestens um 23 Uhr sein Surfbrett wieder einpacken kann.

Es gibt aber auch Dinge, die mir hier gut gefallen. So liegt die Klinik z.B. direkt am Bodensee. Vom Speisesaal hat man einen schönen Blick auf die Wasserfläche und bis runter zum Ufer sind es nur ein paar Schritte. Die Innenstadt ist über eine Buslinie vor dem Haus gut und zeitnah erreichbar. Innerhalb des Gebäudes sind die Wege recht kurz und die einzelnen Therapiebereiche gut zu finden. Bisher hatte ich nur mit einigen wenigen anderen Patienten Kontakt. Aber das lockere zwischenmenschliche Klima erleichtert den Neuankömmlingen die Eingewöhnung im Haus. Fast jeder, mit dem ich bisher ins Gespräch kam, hat mir nach max. fünf Minuten das „Du“ angeboten. Ich finde es aber schon krass, wegen welchen anderen Erkrankungen die Leute teilweise hier zur Reha anreisen. Ein Mitpatient hat mir erzählt, er sei dabei gewesen, in einer Unterführung Neonröhren auszutauschen, als er plötzlich von der Leiter gefallen und mit dem Kopf auf dem Betonboden aufgeschlagen sei. Zumindest hätte man es ihm später so erzählt. Als Folge dieses Unfalls habe er ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten und sei einige Zeit im Koma gelegen. Da bin ich doch froh, dass sich mein Morbus Parkinson langsam und allmählich bei mir ausgebreitet hat und nicht die Folge eines Unfalls gewesen ist!

Im Verlauf des Vor- und des Nachmittages standen die ersten drei, vier Termine auf meinem Therapieplan. Richtig interessant war es aber noch nirgendwo, weil ich mich überall erst einmal vorgestellt und angemeldet habe. So z.B. um 13 Uhr für den Sport. Als Gruppen, in die er mich wegen meines Krankheitsbildes eintragen wird, nannte mir der freundliche Klinikmitarbeiter die Dehngruppe und die Rückenschule. Außerdem soll ich wohl auch auf dem Laufband trainieren und bei den Wasserübungen mitmachen. Bevor ich mich beim Sport angemeldet habe war ich mir etwas unsicher, ob ich gleich meine Sporthose und die Sportschuhe anziehen und unten in der kleinen Sporthalle womöglich gleich bei den ersten Übungen mitmachen soll. Denn da ich vorher gerade beim Mittagessen gewesen war, wäre das keine so gute Idee gewesen. Aber man hat mich noch verschont. Ich habe lediglich erklären müssen, weswegen ich als Patient hier bin und wo meine Defizite liegen. Ganz nach dem Motto: ´Ein voller Bauch tut´s heute auch.´ Dafür geht es morgen Früh gleich gut los. Um 9:00 Uhr steht die Wassergymnastik und um 10:15 Uhr die Gleichgewichtsgruppe auf dem Programm.

Nicht auf meinem Plan stand der spontane Besuch der Kontinenzberaterin, die um 14:15 Uhr bei mir in der Tür stand. Wir haben heute noch nicht ausführlich miteinander gesprochen und die nächsten Tage wird sie nicht da sein. Somit werden wir uns irgendwann in der Zeit zwischen Donnerstag und Samstag nächster Woche sehen. Was sie aber heute schon sagen konnte war, dass die Arzneimittel, die bei einer Harninkontinenz sonst zum Einsatz kommen können, bei Parkinson-Patienten kaum wirksam sind. Ich vermute mal, dass das mit den pathophysiologischen Veränderungen zusammenhängt, die beim Morbus Parkinson auftreten können. Es scheint bei dieser Erkrankung tatsächlich so zu sein, wie es mir bereits vom Assistenzarzt der Neurourologie in Heidelberg-Schlierbach prophezeit worden war: „Dein Problem wird sich im Laufe der Zeit eher verschlechtern als verbessern.“ Trotzdem hat es mich gefreut, dass die Schwester, die mich gestern von Seiten der Pflege aufgenommen hat, mein Einverständnis zu ihrem Vorschlag, ich könne mich beraten lassen, so zügig an die zuständige Stelle weitergegeben hat und ich sicher sein kann, dass man wieder auf mich zukommen wird.

Als letzter Programmpunkt stand für 15:00 Uhr die Anmeldung bei der Physiotherapie in meinem Plan. Zu meinem Erstaunen möchte die Therapeutin, die mich betreut, gar nicht mal so besonders viele klassische Übungen mit mir machen. Sie wird mich in die Rolligruppe einschreiben, damit ich in der nächsten Zeit lerne, sicher und kräftesparend im Rollstuhl unterwegs zu sein. Außerdem hat auch sie mir das Laufband als mögliches Ausdauertraining vorgeschlagen.

Ich werde die Inhalte der einzelnen Therapien und Kurse ganz entspannt auf mich zukommen lassen. Dem zufolge, was andere Patienten über ihre Anwendungen erzählen, machen die Therapeuten einen ordentlichen Job. Und obwohl ich noch immer hin und her überlege, ob eine Reha-Maßnahme wirklich die beste und am ehesten angezeigte Lösung für mich war, muss ich sagen, dass ich von der Professionalität und der Zuverlässigkeit der Mitarbeiter hier im Haus bisher einen sehr ordentlichen Eindruck habe.

Dienstag, 3. Juni 2014

Geht doch!

Am letzten Freitag haben sich für zwei Angelegenheiten, die mir in den letzten Tagen und Wochen oft im Kopf herumgegangen sind, halbwegs zufriedenstellende Lösungen ergeben. Ich rede schreibe von der schon länger genehmigten Reha, die ich absolvieren soll, und von meiner Rollstuhl-Versorgung.

Ich muss zugeben, dass ich den Damen und Herren der Reha-Klinik in Konstanz bei der Suche nach einem Aufnahmetermin für mich etwas unter die Arme gegriffen habe. Und zwar habe ich ihnen am Donnerstag per E-Mail mitgeteilt, dass ich nicht länger bereit bin, zuhause zu sitzen und auf Nachricht vom Bodensee zu warten. Falls mir bis zum 9. Juni (Anfang nächster Woche) kein Termin für meine stationäre Aufnahme mitgeteilt worden wäre, hätte ich bei der Deutschen Rentenversicherung entweder um eine andere Klinik gebeten oder ich hätte die Rehamaßnahme schlichtweg abgesagt. Habe ich den Damen und Herren so geschrieben und hätte ich auch so gemacht. Hätte ist Konjunktiv, die sog. Möglichkeitsform. Dieser Fall wäre somit zwar möglich gewesen, ist aber nicht eingetreten. Warum nicht? Weil ich am Freitag zwei E-Mails im Posteingang gefunden habe, die das verhindert haben. In einer "Zwischennachricht" informierte man mich, man habe mich nicht vergessen, jedoch habe die aktuelle Belegungssituation eine Aufnahme bisher leider nicht zugelassen. In der anderen E-Mail stand, ich sei zur stationären Behandlung angemeldet worden und man würde mich für Dienstag, den 03.06., zur Aufnahme in die Klinik einladen.

Im ersten Moment war ich doch ein wenig überrascht. Einerseits, weil es plötzlich ziemlich fix gegangen ist mit der Einbestellung in die Klinik und andererseits, weil es bis Dienstag nicht mehr lange hin war und ich bis dahin Wäsche zu waschen und meine sieben Sachen zusammenzusuchen hatte. Darüber hinaus bin ich bei meinem Hausarzt gewesen, weil er mir auf einem Formular per Stempel und Unterschrift bescheinigen musste, dass ich für die Reha körperlich belastbar und reisefähig bin. Fehlt diese Bestätigung, braucht man als Patient gar nicht erst zur Reha zu fahren. Denn ohne dieses abgestempelte und unterschriebene Blatt Papier findet keine Rehabilitation statt.

Ich könnte mich jetzt darüber ärgern, dass plötzlich alles schnell gehen musste und für mich etwas stressig war. Erst hört man lange nichts, dann soll man auf einmal flexibel sein. Aber ich mache mich deswegen nicht verrückt. Ich werde vier Wochen in dieser Klinik verbringen und versuchen, von meinem Aufenthalt so gut es geht zu profitieren. Und wenn ich zurück bin will ich mich wieder ins Berufsleben eingliedern. Schließlich möchte ich nicht ewig zuhause sitzen. Auch, wenn es vielleicht erst einmal nur ein paar Stunden in der Woche sind, die ich arbeiten gehe. Gegenüber meiner jetzigen Situation wäre das schon ein echter Fortschritt.

Trotzdem frage ich mich schon, was genau man sich in meinem Fall von einer stationären Reha verspricht. Mir ist klar, dass Reha-Kliniken im Allgemeinen viele verschiedene Angebote unter einem Dach anbieten können. Aber ich habe mich nicht unbedingt wegen dieser vielen Möglichkeiten für eine Reha-Maßnahme entschieden. Ich möchte vor allen Dingen von der Beratung und der Hilfestellung profitieren, die ich in der Klinik bekommen kann. Und zwar geht es mir vor allem um Beratung bezüglich der Frage, wie ich meine Arbeitsfähigkeit erhalten und vielleicht auch verbessern kann und darum, welche finanziellen Leistungen mir zustehen, bis ich wieder ein eigenes Einkommen habe. Denn auf meine Frage, warum sie mir eine Reha empfehlen würde, antwortete mir die Sozialpädagogin in Heidelberg neulich unter anderem mit dem Hinweis, man könne in Konstanz meine Arbeitsfähigkeit ärztlich begutachten und anhand des Ergebnisses meine Chancen auf dem Arbeitsmarkt einschätzen und mir mögliche Tätigkeitsgebiete vorschlagen. Ob diese ärztliche Beurteilung mit meiner eigenen Einschätzung übereinstimmt, wird sich dann zeigen. Zurzeit merke ich, dass sich meine körperlichen Beschwerden durch das Pramipexol durchaus ein wenig gebessert haben. So kann ich z.B. den rechten Arm ein wenig freier bewegen und auch das Schreiben fällt mir etwas leichter. Dass sich mein Schriftbild verbessert hat, ist mir am Samstag zum ersten Mal aufgefallen. Ich habe einen Fragebogen der Klinik ausgefüllt und mich gefreut, dass es mir so gut von der Hand gegangen ist und dass man meine Eintragungen einwandfrei lesen konnte. Aber trotz dieser kleinen Erfolge ist mir natürlich klar, dass ich chronisch krank bin und in Zukunft gut auf meine körperliche Leistungsfähigkeit achten muss. Die Einschätzung der Sozialpädagogin bei unserem Gespräch vor meiner Entlassung aus der Klinik in Heidelberg fand ich trotzdem etwas übertrieben. Sie war der Meinung, ich hätte auf dem Arbeitsmarkt keine Chance. Das sehe ich etwas anders. Ich denke, dass ich durchaus eine gewisse Anzahl an Wochenstunden absolvieren könnte. Auch mit Handicap. Denn es mag zwar sein, dass mich meine Erkrankung in einigen Dingen einschränkt und behindert. Aber deshalb bin ich noch lange nicht unfähig oder chancenlos und zu überhaupt nichts zu gebrauchen. Wenn es nach mir ginge, säße ich seit Wochen am Computer und würde Bewerbungen schreiben. Nebenher würde ich mich zweimal die Woche in meiner Physiotherapie-Praxis im Nachbarort behandeln lassen und mir (wie vor einiger Zeit mit ihm besprochen) von meinem Schmerztherapeuten probeweise KG nach Bobath bzw. manuelle Therapie verordnen lassen. Nunja. Es hat sich jetzt eben anders ergeben. Ich hoffe wirklich, dass der Rat aus Heidelberg der richtige war und es eine sinnvolle Entscheidung gewesen ist, vor dem Wiedereinstieg in den Beruf zur Reha zu fahren.

Was die Auswahl eines geeigneten Aktivrollis für mich betrifft gibt es nicht wirklich etwas Neues. Am Freitag habe ich mich noch einmal mit Thomas getroffen und mit ihm ein paar Dinge besprochen. Und weil ich weiß, dass es wichtig ist, einen Rollstuhl ausreichend zu testen, bevor man sich für ihn entscheidet, habe ich im Avantgarde von Otto Bock Platz genommen und bin ein Stück mit dem Stuhl gefahren. Zuerst ein paar Minuten draußen auf dem Bürgersteig, dann drinnen im Geschäft. Im Prinzip würde der Avantgarde für meine Bedürfnisse ausreichen. Denn der Rolli soll als Notlösung nur dazu da sein, dass ich Platz nehmen kann, wenn ich größere Strecken zu Fuß zurücklege und meine Beine mich dabei irgendwann im Stich lassen. Dafür taugt der Stuhl auf jeden Fall. Und da ich für dieses Modell wahrscheinlich keine wirtschaftliche Aufzahlung zu leisten hätte, würde er sich eigentlich anbieten. Aber irgendwie kann ich mich einfach nicht entscheiden, ob ich nicht doch besser den Sopur Helium nehmen soll. Im Gegensatz zum Avantgarde handelt es sich beim Helium um einen Starrahmen-Rollstuhl, der sich nicht zusammenfalten lässt. Ich habe gestern mit Thomas telefoniert und wir sind so verblieben, dass ich in Konstanz noch ein paar Meinungen zu dem Thema einholen werde und mich erst dann endgültig für einen der beiden Stühle entscheide. Denn am Telefon hat man mir geraten, dass ich die Physiotherapeuten der Klinik auf dieses Thema ansprechen soll. Außerdem bietet die Klinik wohl auch ein Mobilitätstraining für Rollstuhlfahrer an, bei dem ich teilnehmen soll. Schau´n mer mal!