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Montag, 28. April 2014

Einfach und schön

Es könnte alles so schön und so einfach sein. Die letzten Tage hatte es größtenteils allerbestes Wetter mit Sonne satt und Temperaturen jenseits der 20 Grad. Die Bäume entlang der Weinstraße stehen schon seit Wochen in voller Blüte und die Eiscafés in den Städten laden zum Verweilen ein. Bis Donnerstag waren mein Bruder aus Köln und meine Schwester aus Berlin zu Besuch in der alten Heimat und haben unter der Woche mit uns und einigen Freunden die Geburtstage meiner Mutter und meiner jüngsten Schwester gefeiert. Darüber hinaus haben wir am letzten Montag bei Muttern die Ostertage mit dem ersten Grillevent des Jahres beschlossen.

Die letzte Woche hatte also einiges zu bieten und lieferte einen Vorgeschmack auf den möglicherweise bevorstehenden WM-Sommer. Und ich hätte diese schöne Zeit auch gerne ausgekostet und mich daran erfreut, dass es abends wieder recht lange hell ist und scheinbar eine gewisse Leichtigkeit ins Leben der Menschen zurückgekehrt ist. Konnte ich aber leider nicht wirklich. Denn seit ich aus Heidelberg zurück bin, schlage ich mich mit meinen körperlichen Beschwerden herum.

Am meisten zu kämpfen habe ich mit meinem Bein und hatte ich mit sehr schmerzhaften Schulter- und Nackenverspannungen. ´Hatte´, weil ich für Donnerstag einen Termin bei meinem Schmerztherapeuten habe bekommen können. Am liebsten hätte ich mir das Ropivacain schon während meines stationären Aufenthaltes in der Uniklinik Heidelberg unter die Haut spritzen lassen. Aber zum einen wurde mir dort stets gesagt, man wolle noch diese und jene Untersuchung abwarten, bevor man es mir verabreichen würde. Und zum andern dachte ich mir dann doch, die Schmerzen seien noch nicht zu stark und ich könne es schon noch etwas aushalten, bevor ich um die Injektionen bitte. Sei´s drum. Bisher bin ich in der Schulter und im Nacken zwar noch nicht ganz schmerzfrei, aber wenn ich mich richtig erinnere hat es beim letzten Mal auch ein oder zwei Tage gedauert, bis die Schmerzen abgeklungen waren.

Zur Therapie der Beschwerden, die mein Bein verursacht, existiert leider keine so einfach verfügbare Zauberformel. Mein deutlich sichtbarer Gehfehler geht mir gewaltig auf den Keks und kostet mich einiges an Kraft. Neulich hatte ich in der Stadt, in der ich regelmäßig einkaufe, ein paar Dinge zu besorgen. Innerhalb von zwei Stunden war ich in drei Supermärkten und einem Getränkemarkt unterwegs und war hinterher total platt. Zu Beginn bin ich immer recht gut zu Fuß unterwegs und kann mich relativ normal bewegen. Aber nach ca. einer halben Stunde ist es dann vorbei und ich bin froh, dass meine Schwierigkeiten weniger auffallen, wenn ich einen Einkaufswagen vor mir her schiebe. Mein Bein wird immer schwerer und es kostet mich viel Kraft, es anzuheben, einen Schritt nach vorne zu machen und einfach ein paar Meter geradeaus zu gehen. Teilweise gelingt es mir gar nicht, dann gehe ich mit dem linken Bein einen Schritt nach vorne und ziehe das rechte Bein irgendwie nach. In Heidelberg habe ich an einem Sonntagnachmittag das tolle Wetter genutzt und bin im Neuenheimer Feld etwas spazieren gewesen. Es hatte bestimmt 25 Grad und ich habe die Chance genutzt, mal aus dem Bau rauszukommen und mir irgendwo unterwegs ein Eis zu leisten. Zunächst war auch alles gut und die ersten fünfzehn, zwanzig Minuten war ich recht zügig unterwegs. Danach wurde mein Tempo stetig langsamer und ich musste mich richtig auf das Gehen konzentrieren. Aber das bin ich inzwischen gewohnt und kann damit umgehen. Das ist eben mein momentaner Zustand, an dem ich weiter arbeiten muss. Was mich allerdings vor große Herausforderungen stellte, waren die letzten 300 oder 400 Meter zurück Richtung Haupteingang. Meine Beine wurden plötzlich schwer wie zwei große Zementstücke und ich habe es kaum mehr geschafft, einen Fuß anzuheben und ihn vor den anderen zu setzen. Ich fühlte mich müde und erschöpft und hätte mich erstmal gesetzt, wenn es am Wegesrand irgendwo eine Bank gegeben hätte. So aber hatte ich zwei Möglichkeiten: Entweder, ich beiße mich durch und bewältige das letzte Stück zur Klinik zu Fuß, oder ich spreche irgendjemanden an und bitte um Hilfe. Für einen Moment habe ich wirklich überlegt, ob ich nicht besser wen ansprechen soll. Aber was sollte derjenige tun? Und wie sähe das aus, wenn z.B. jemand mit einem Rollstuhl aus der Klinik käme und mich einsammeln würde!? Nein, das musste ich nicht wirklich haben. Also habe ich meinen Beinen den Marschbefehl erteilt und bin bis zu meiner Klinik gelaufen. Dort habe ich als erstes an der Caféteria im Erdgeschoß Halt gemacht und mich mit einem wohlverdienten Eis in der Hand in die Sonne gesetzt, bevor ich eine Viertelstunde später mit dem Aufzug hoch auf Station gefahren bin.

In dieser Situation habe ich mich zum ersten Mal richtig hilflos gefühlt. Mein Körper hat mir signalisiert, dass er nichts mehr zuzusetzen hat und dass er dringend eine Auszeit braucht. Das hat mich recht nachdenklich gemacht, denn obwohl ich mich zurzeit noch für relativ jung und einigermaßen leistungsfähig halte, frage ich mich doch, wie es mir in fünf oder zehn Jahren gehen wird.

Zumindest habe ich mir inzwischen vorgenommen, dass sich so etwas nicht noch einmal wiederholen wird. Deshalb habe ich mir selbst eine Frist gesetzt: Sollte sich mein Gangbild bis nach der Reha nicht zumindest ein wenig bessern und sollte ich nach wie vor solche Probleme mit dem Laufen haben, werde ich mir von meiner niedergelassenen Neurologin oder von den Neurologen der Uniklinik Heidelberg einen Aktivrolli verordnen lassen. Ich weiß nicht sicher, wer dafür zuständig wäre, aber das würde ich dann schon herausfinden. Und bevor gleich die Mahner und die Besserwisser auf der Matte stehen: Ich weiß, dass eine Rollstuhl-Verordnung ein Rückschritt ist für jemanden, der bisher noch gelaufen ist. Ziel muss und sollte immer sein, vorhandene Mobilität zu erhalten und, wenn möglich, zu verbessern. Ich weiß aber auch, dass ich mich nicht quälen muss, nur weil ich länger als 30 Minuten irgendwo zu Fuß unterwegs bin. In Fällen wie diesem würde ein Rollstuhl keinen Rückschritt, sondern eine Unterstützung für mich bedeuten. Außerdem hätte ich sicher nicht vor, von morgens bis abends ohne Unterbrechung in dem Teil zu sitzen. Er wäre hauptsächlich für längere Distanzen gedacht, bei denen ich schon vorher absehen kann, dass ich zu Fuß irgendwann Probleme bekommen werde.

A propos Reha. Mir ist am Freitag ein Bescheid ins Haus geflattert: "Sehr geehrter Herr ..., wir freuen uns, Ihnen eine stationäre Leistung zur medizinischen Rehabilitation für die Dauer von 4 Wochen bewilligen zu können." Es geht nach Allensbach am Bodensee, etwas nordwestlich von Konstanz gelegen. Den Aufnahmetermin wird mir die Klinik noch mitteilen. Nachdem ich am Donnerstag bereits ein Info-Schreiben im Briefkasten hatte, mein Antrag sei eingegangen und werde geprüft, ging es jetzt doch sehr flott mit der Bewilligung. Ich hoffe sehr, dass mich der Aufenthalt dort ein Stück weiter bringen wird.

Ein weiteres Problem, welches ich nach der Reha klären möchte, ist meine Inkontinenz-Versorgung. Im Spätjahr 2013 habe ich mir vom offiziellen (und leider einzigen) Versorger, den meine Krankenkasse mit der Versorgung ihrer Inkontinenz-Patienten beauftragt hat, einige Produktmuster zum testen schicken lassen. Der Sendung lagen unter anderem einige schriftliche Informationen bei. So wurde ich bspw. mit einem Schreiben darüber informiert, die Versorgung müsse nach dem in §12 des Sozialgesetzbuchs (Teil 5) festgelegten Wirtschaftlichkeitsgebot ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein. Nicht erforderliche oder unwirtschaftliche Leistungen dürften nicht zu Lasten der Krankenkasse abgerechnet werden. Natürlich gäbe es Anforderungen an die Qualität der Produkte. Eine "einwandfreie Beschaffenheit und Funktionsfähigkeit der Produkte" sei jedoch von meinem Versorger sichergestellt, somit würde ich im Regelfall mit den Standard-Produkten ohne Aufzahlung "einwandfrei" versorgt sein. Nunja. Wenn man sich diese Standard-Podukte einmal betrachtet und sie einem Alltagstest unterzieht, wird man sich ernsthaft fragen, was manche Menschen unter einer einwandfreien Versorgung verstehen. Und jeder von einer Inkontinenz Betroffene wird sich fragen, warum er sich nicht einfach eine Plastiktüte aus dem Supermarkt zwischen die Beine bindet. Die fühlt sich nämlich ungefähr genauso diskret und ebenso saugfähig an.

Um einmal klar zu sagen, was Sache ist: Die einzelnen Unternehmen bewerben sich bei den öffentlichen Ausschreibungen der Krankenkassen. Nach welchen Kriterien sie dann von der Kasse eine Zusage erhalten oder abgelehnt werden, weiß ich nicht. Aber sobald sie mit von der Partie sind versuchen sie natürlich, möglichst vielen Versicherten dieser Krankenkasse ihre billigen Standard-Produkte anzudrehen. Ihre Kalkulation zielt darauf ab, möglichst viele Versicherte kostengünstig zu versorgen und die Anzahl derer, die einer kostenintensiven Versorgung bedürfen, möglichst gering zu halten. Unternehmerisches Kalkül eben. Solange ich (viel) mehr Kunden habe, die ich günstig beliefern kann und die mich wenig kosten, habe ich alles richtig gemacht. Ob die Betroffenen dabei mit meinen Produkten zufrieden sind und ob diese qualitativ wirklich etwas taugen, ist mir ziemlich egal.

Mein Versorger räumt mir allerdings die Möglichkeit ein, qualitativ höherwertige Produkte zu beziehen, falls ich mit den Standard-Produkten (bspw. wegen einer allergischen Hautreaktion) nicht zurechtkomme. In diesem Fall bedürfe es allerdings einer erneuten Beratung und ggf. einer medizinischen Prüfung. Sprich: Ich muss mindestens ein ärztliches Attest vorlegen, warum ich ein anderes, besseres Produkt benötige. Ob ich mich möglicherweise einer ärztlichen Prüfung unterziehen muss, die von meiner Krankenkasse oder meinem Versorger veranlasst wird, weiß ich nicht. Sollte ich jedenfalls ohne besonderen Grund ein anderes Produkt als das aufzahlungsfreie Standard-Produkt haben wollen, müsse ich die entstehenden Mehrkosten selbst aufbringen. Die im Übrigen recht happig sind. Als Beispiele seien 28,88 € für 3 x 30 Tena Slip Plus und 58,83 € für 4 x 12 Tena Pants Super genannt. Jeweils Größe M, Stand Ende Oktober 2013.

Derzeit habe ich mich um andere Dinge wie bspw. die anstehende Reha zu kümmern. Aber ich werde mich auf keinen Fall kampflos geschlagen geben, soviel ist sicher!

Freitag, 18. April 2014

Ein dickes Ei im Osternest

Die Ostertage stehen vor der Tür. Der sonst so hektische Alltag wird etwas entschleunigt und die Menschen gedenken der Auferstehung Jesu Christi. Auch ich mache mir hierzu ein paar Gedanken und versuche nebenher, mich bestmöglich den neuen Lebensumständen anzupassen. Und obwohl ich nichts von Ostergeschenken halte, hat mir der Osterhase ein ziemlich dickes Ei ins Osternest gelegt, über dem ich das vergangene Wochenende gebrütet habe.

Bisher war und ist es so, dass meine Erkrankung mich zwar spürbar beeinflusst, ich aber trotzdem ein selbstständiges und unabhängiges Leben führen kann. So kann ich mich bspw. selbst ernähren, treibe Sport und bin dank meines fahrbaren Untersatzes jederzeit mobil. Allerdings gibt es auch Dinge, die mich beschäftigen und für die ich eine Lösung finden möchte und muss.

Meine berufliche Perspektive ist z.B. so ein Thema. Im Sommer läuft mein Krankengeld aus und bisher ist noch offen, wie es dann weitergeht. Ich möchte mich auf keinen Fall frühzeitig verrenten lassen und für den Rest meines Lebens daheim sitzen und die Wände anstarren. Dazu fühle ich mich eindeutig noch zu fit und denke, ich könnte zumindest als Teilzeitkraft irgendwo arbeiten.

Um diesbezügliche Möglichkeiten zu besprechen und auszuloten, hatte ich am Tag vor meiner Entlassung aus der Klinik um ein Gespräch mit einer Mitarbeiterin des Sozialdienstes gebeten, welches am Tag darauf schließlich zustande kam. Mit dabei waren meine Mutter und meine Tante aus Heidelberg, die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie ist und deren Meinung uns daher nicht ganz unwichtig war. Außerdem hatten wir für 13:30 Uhr ein Gespräch mit einer der Stationsärztinnen vereinbart, zu dem wir meine Tante sowieso hinzugebeten hatten.

Kurz gefasst war das Ergebnis der Unterredung mit dem Sozialdienst, dass man mir eine stationäre Rehamaßnahme empfiehlt. Es gebe eine Klinik in Konstanz am Bodensee, die für junge Leute wie mich sehr geeignet sei. Dort könne ich bspw. lernen, mit meiner Erkrankung richtig umzugehen und bekäme außer geeigneten Therapieeinheiten auch eine ärztliche Beurteilung meiner Arbeitsfähigkeit.

Ehrlich gesagt hatte ich mir schon geraume Zeit vorher gedacht, dass mir irgendwann jemand eine Anschlussheilbehandlung empfehlen würde. Und ich möchte auch absolut nicht bestreiten, dass eine Reha bei einer solchen Erkrankung durchaus Sinn machen kann. Nur: Woher will die Dame wissen, dass ich eine Reha benötige, um angemessen mit meiner Erkrankung umgehen zu können? Und schiebt eine Reha meine Probleme nicht lediglich um vier Wochen auf, so dass ich vor den selben Problemen stehe, sobald ich wieder zuhause bin?

Zumindest die erste Frage kann ich klar und eindeutig beantworten. Zwar frage ich mich schon, welchen Verlauf meine Erkrankung nehmen und wie es mir in fünf oder in zehn Jahren gehen wird. Aber zurzeit kann ich wirklich nicht behaupten, dass es mir psychisch besonders schlecht geht. Ich finde, man muss immer nach vorne schauen und das Bestmögliche aus der Situation machen. Und außerdem habe ich nur dieses eine Leben, daher habe ich keine Zeit für schlechte Laune und Trübsal blasen. Die Krankheit wird also mit mir leben müssen, nicht ich mit der Krankheit!

In der Hoffnung, dass mir eine Reha in einer guten Klinik ein Stück weiterhilft, habe ich der Dame am Montag schließlich zugesagt. Angeblich erspare man sich einen Haufen Papier und lange Wartezeiten, wenn man sich schnell entscheidet und die Reha spätestens zwei bis drei Wochen nach der Entlassung aus dem Krankenhaus antritt. Schauen wir mal, ob und wann ich demnächst Post im Briefkasten haben werde!

Ich wünsche allen Lesern ruhige, schöne und besinnliche Ostertage.

Samstag, 12. April 2014

Nichts genaues weiß man nicht

Nach etwas mehr als zwei Wochen waren alle Untersuchungen abgeschlossen und die Ergebnisse ausgewertet. Folglich hat man mich gestern im Laufe des Nachmittags nach Hause entlassen. Als Diagnose wird im vorläufigen Arztbericht ein Verdacht auf einen Morbus Parkinson vom akinetisch-rigiden Typ genannt. Ob sich dieser Verdacht bestätigen lässt, wird sich in den nächsten Wochen und Monaten zeigen und hängt auch davon ab, wie meine Beschwerden auf das Arzneimittel ansprechen werden, das angesetzt worden ist. Hierbei handelt es sich um den Wirkstoff Pramipexol in einer Dosis von 0,18 mg. Ich soll zunächst dreimal am Tag eine halbe Tablette einnehmen. Laut Arztbericht kann diese Dosis später noch gesteigert werden.

Mitte Juni soll ich mich wieder in der Ambulanz vorstellen, in der ich bereits vor meinem stationären Aufenthalt untersucht worden bin. Ich hoffe, dass sich bis dahin etwas tut. Man darf gespannt sein!

Freitag, 11. April 2014

Das Beste kommt immer zum Schluss

Es ist mal wieder an der Zeit, den leeren Raum mit ein paar Zeilen zu füllen. Mein letzter Post liegt inzwischen acht Tage zurück und einige Umstände haben bisher verhindert, dass ich eher zum bloggen kam. Aber immerhin habe ich mittlerweile ein paar Ergebnisse und bin froh, dass es nun eine vorläufige Diagnose mitsamt einem dazugehörigen Plan für die nächsten Wochen gibt.

So liegt inzwischen z.B. das Ergebnis der Nuklearmedizin vor. Laut Aussage der Stationsärztin ist das IBZM-Spect vom Freitag "unauffällig", deutet also nicht auf eine Erkrankung der Basalganglien (wie bspw. eine Multisystematrophie) hin. Auch die Untersuchung auf dem Kipptisch hat keine Hinweise in diese Richtung erbracht. Sehr zu kämpfen hatte ich allerdings mit den Nachwirkungen des L-Dopa-Tests, der auf den Montag verschoben worden war.

Zunächst lief alles gut. Ich habe brav die Tabletten geschluckt und ca. 20 bis 30 Minuten nach jeder Tabletteneinnahme so gut es ging die zu absolvierenden Test-Aufgaben absolviert. Aber irgendwann fing es an. Ein unangenehmes, dumpf-drückendes Gefühl in der Magengrube signalisierte mir, dass es keine schlechte Idee wäre, mir spätestens jetzt den Mülleimer in meine Nähe zu holen. Keine 5 Minuten später war ich gezwungen, den Zweck des Eimers zu missbrauchen und ließ mir Teile meines Mittagessens noch einmal durch den Kopf gehen. Da an eine weitere Tablettengabe nicht zu denken  war, beendete die Ärztin den Test an dieser Stelle. Später kam sie noch einmal in mein Zimmer und teilte mir das Resultat mit. Meine Beschwerden hätten sich nicht so signifikant verbessert, als dass man von einem positiven Testergebnis sprechen könne.

Die folgenden 36 Stunden hätte ich am liebsten einfach nur verschlafen. Ich kann mich nicht erinnern, ob mir vorher jemals so schwindlig gewesen ist. Die ersten Stunden habe ich gar nicht erst probiert, aus dem Bett aufzustehen. Gegen Abend habe ich mich dann getraut,  kurz zur Toilette zu gehen oder eben das Fenster zu schließen. Und Dienstagfrüh habe ich zumindest eine Semmel essen können. Obwohl mir überhaupt nicht nach essen war. Aber von irgendetwas muss der Köper schließlich zehren. Insgesamt bin ich anderthalb Tage flach gelegen und muss sagen, dass ich mit einer so heftigen Reaktion nicht gerechnet hätte!

Soweit ich weiß, sind nun alle größeren Untersuchungen abgeschlossen, die im Voraus geplant worden waren. Am Mittwoch war ich wie angekündigt nochmals in der Neurourologie zu Gast und habe die urodynamische Messung hinter mich gebracht. Zunächst mal war ich allerdings ein paar Minuten zu spät, weil die Schwester auf meiner Station auf dem Transportschein für das Taxi die falsche Zielklinik angekreuzt hatte. Auf Geheiß des Taxifahrers bin ich nochmal nach oben auf meine Station gefahren und habe einen neuen Transportschein besorgt. War aber nicht tragisch, weil der Messplatz in der Urologie eh noch belegt war. Also habe ich ein Weilchen gewartet und mir so meine Gedanken gemacht. Als ich an der Reihe war erklärte mir ein Krankenpfleger, wie die Untersuchung ablaufen und wann er welche Drücke prüfen und messen würde. Nachdem ich den Aufklärungsbogen unterschrieben hatte, durfte ich schließlich auf die Liege steigen und mich auf den Rücken legen. Kurz darauf war es soweit. Das Einführen des dünnen Katheters durch die Harnröhre bis in die Harnblase hinein war nicht gerade besonders angenehm, aber es dauerte zum Glück nicht lange. Darüber hinaus habe ich mich sehr gut mit dem Pfleger unterhalten und war somit etwas abgelenkt. Die Messungen an sich waren absolut kein Problem. Bei 313 ml signalisierte meine Blase erstmals einen dezenten Harndrang. Da die restlichen Werte allesamt in Ordnung waren und auch der Nieren-Ultraschall keinen Hinweis auf einen möglichen Reflux lieferte, konnte ich die Klinik einige Zeit später verlassen. Oder wie der Urologe zu sagen pflegt: Ich habe mich verpisst.

So eine Urodynamik ist sicher nicht besonders angenehm. Und irgendwo hebt man sich das Beste doch immer bis zum Schluss auf. Aber letzten Endes habe ich versucht, nicht zuviel darüber nachzudenken. Immerhin weiß ich jetzt, dass mit meinen Nieren soweit alles in Ordnung ist und im Moment kein Handlungsbedarf besteht. Zumindest nicht aus urologischer Sicht.

Donnerstag, 3. April 2014

Sommer im Kopf

Satz mit X - det war wohl nischt!

Es muss etwa kurz nach Acht heute Morgen gewesen sein. Irgendwer rüttelte ein wenig an mir herum. "Sie haben innnn, äääh, vier Minuten einen Termin unten beim IBZM-Spect." Aha. Dann war es natürlich eine gute Idee, mich schon so früh zu wecken, weil ich so noch genügend Zeit haben würde, um die Glubschkugeln mal richtig aufzubekommen und in Ruhe einen Becher des schwarzen Goldes hinunterzustürzen.

Nunja. Ich bin in meine Klamotten hineingefallen, in die Schuhe geschlüpft und habe mich dann auf Jolly Jumpers breiten Rücken gesetzt. Der Gaul war netterweise schon von einem freundlich lächelnden Mitarbeiter des Hol- und Bringdienstes zu mir geführt worden und wir sind mit ordentlich Speed durch die Prärie Klinik geritten. Ich hatte das Gefühl, zum ersten Mal halbwegs gut und vor allem ausreichend geschlafen zu haben. Wenn auch mit Unterstützung einer Schlaftablette kurz vor Mitternacht. Ich bin heute viel ausgeglichener, psychomotorisch wie körperlich um einiges beweglicher und auch weniger aufgekratzt.

Nach wenigen Minuten hatten wir die Nuklearmedizin erreicht und ich wurde nach der Anmeldung mit meinem treuen Ross in einem Warteraum geparkt. Kurze Zeit später habe ich einen halben Becher einer etwas bitter schmeckenden Flüssigkeit geleert, um mithilfe dieses gelösten Stoffes eine Anreicherung einer noch zu applizierenden radioaktiven Substanz in der Schilddrüse zu verhindern.

Dann war warten angesagt. Also schnappte ich mir eine Ausgabe eines sehr bekannten deutschen Wochenmagazins und begann, darin zu blättern. Nach einiger Zeit entdeckte ich einen Artikel über den klinischen Psychologen Dr. Georg Fraberger aus Wien. Er wurde 1973 ohne Arme und Beine geboren und gab dieser Zeitschrift nun ein Interview. Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich von diesem Mann schwer beeindruckt bin und ein wenig schlucken musste, als er von den Erfahrungen berichtete, die er bisher in seinem Leben hat machen müssen und die er zum Teil auch heute noch macht. Und um ehrlich zu sein habe ich mich etwas geärgert über einige provokante Anspielungen und Fragen des Fragenstellers. Kann auch sein, dass er seinen Interview-Partner damit ein wenig aus der Reserve hat locken wollen, ich weiß es nicht. Aber wie dem auch sei. Ich finde es sehr beachtlich, mit welch positiver Einstellung Herr Dr. Fraberger die Dinge angeht und was er aus sich und seinem Leben gemacht hat!

Irgendwann hatte ich alle interessanten Artikel gelesen und schaute zur Uhr. Seit der Einnahme der Lösung zur Blockade der Schilddrüse waren inzwischen 80 Minuten vergangen und ganz allmählich fing mein Magen an, immer deutlicher seinen Unmut zu äußern. Gestern hatte ich bis mittags nach dem Leber-Sono nüchtern sein müssen, und daher wollte ich nun doch mal höflich nachfragen, wie lange es denn ungefähr noch dauern würde. Ich leitete mein Schlachtross also auf den Gang und sprach den nächstbesten Klinikmitarbeiter an. Gerade als ich ihn um eine kurze Info gebeten hatte, kam eine junge Frau um die Ecke und schaltete sich in unser Gespräch ein. Die radioaktive Substanz, die man für mich bestellt habe, käme aus den Niederlanden und sei heute nicht in der Lieferung dabei gewesen. Man könne das IBZM-Spect erst morgen durchführen.

Ich wusste im ersten Moment nicht, ob ich mir an den Kopf greifen oder mich über den somit wohl bevorstehenden freien Vormittag freuen sollte. Denn ´Kein IBZM-Spect!´ war auch gleichbedeutend mit ´Kein L-Dopa-Test!´. Ich muss sagen, mir war und ist es relativ egal, ob ich heute oder morgen dran bin. Ich hoffe nur, dass man sich keine auswärtigen Patienten zum Termin einbestellt und dann später feststellt, dass die benötigten Substanzen nicht vorrätig sind!?

Nachdem ich in der Nuklearmedizin keinen Blumentopf mehr gewinnen konnte, habe ich meinen Gaul gesattelt und bin in Richtung meiner Station davon geritten. In meiner Suite angekommen erwartete mich die nächste Überraschung: Das Spätstück, das mein knurrender Magen inzwischen deutlich einforderte, war unauffindbar. Entweder, man hat mir erst gar nichts hingestellt, weil ich sowieso nicht anwesend war, oder man hat mein Mahl unverrichteter Dinge wieder abgeräumt. Gott sei Dank sind die Pflegekräfte meiner Station nicht nur sehr gut ausgebildete Mitarbeiter, sondern auch sehr hilfsbereite und liebesgewürzige Mitmenschen. So hat es keine 60 Sekunden gedauert, bis sich einer von ihnen auf den Weg in die Küche machte und auf dem Rückweg an der Kaffee-Tankstelle einmal volltankte. Ich kann also wirklich nicht maulen. Das Personal der Kliniken  ist fachlich wie menschlich wirklich hervorragend ausgebildet und bemüht. Respekt und herzlichen Dank! Ich fühle mich sehr wohl hier.

Nachdem ich mich gut gestärkt hatte, ging ich daran, mich gründlich zu rasieren. Gerade war ich den nervtötenden Härchen zu Leibe gerückt, da öffnete sich die Tür und mein Physiotherapeut sprang ins Zimmer. Wie es gerade bei mir aussehe, er habe jetzt Kapazitäten. Natürlich habe ich nicht lange überlegt und mir die Schuhe gebunden. Seine Übungen tun mir richtig gut und helfen mir sehr, meine vorhandenen Defizite zu erkennen und gezielt zu behandeln.

Im Moment sitze ich seit einiger Zeit in meinem Bett, höre Musik und schreibe an diesem Beitrag. Zwar kann ich zurzeit natürlich nicht behaupten, dass es mir körperlich besonders gut geht und ich mit dem Status quo zufrieden bin. Aber ganz egal, welche Erkrankung man irgendwann diagnostizieren wird - ich werde toll versorgt und es geht endlich voran. Daher behaupte ich einfach mal, dass ich trotz allem recht zufrieden und glücklich bin! Eine ehemalige Mitschülerin hat einmal einen tollen Spruch auf ihren Schulrucksack geschrieben: "Sommer ist keine Jahreszeit, sondern eine Lebenseinstellung!"

Mittwoch, 2. April 2014

Jolly Jumper, Darth Vader und die Froschkönige

Seit meinem ersten Eintrag hat sich einiges getan.

Unter anderem habe ich mir ein Hotte Hüh-Pferdchen geleistet. Wenn man es genau nimmt, kann ich hier auf Station sogar aus mehreren Rössern wählen. Auch, wenn der ein oder andere Gaul nicht mehr ganz so flott unterwegs ist und ich so meine Mühen habe, sie über die Flure zu scheuchen. Und über Kopfsteinpflaster und Bordsteine komme ich sowieso nicht mit ihnen. Aber ich bin froh, dass ich sie reiten darf, denn manchmal geht es einfach nicht ohne sie. Durch den chronischen Schlafmangel der letzten Tage hänge ich vor allem morgens dermaßen in den Seilen, dass sich mein gelegentlich vorhandener Schwindel so sehr verstärkt, dass ich Angst habe, selbst kleinere Strecken zu Fuß zurückzulegen. Wenn also ein hagerer, junger Kerl auf dem Rücken von Jolly Jumper mit halsbrecherischer Geschwindigkeit die Flure der Kliniken entlang donnert, bin ich das.

Am Montagnachmittag war ich bei den Damen und Herren der Neuropsychologie zu Gast. Ein Herr Doktor und eine seiner Studentinnen luden zur Überprüfung meiner kognitiven Fähigkeiten. Diese Einladung konnte ich natürlich unmöglich ausschlagen. Obwohl ich nirgendwo eine Tasse Kaffee, geschweige denn ein Stück Kuchen, entdecken konnte. Trotzdem waren die beiden sehr nett und ich habe den Test ohne größere Gedächtnislücken absolvieren können. Lediglich das vorgegebene Bild konnte ich nach einiger Zeit nicht wirklich gut aus dem Kopf auf ein leeres Blatt Papier reproduzieren.

Für die, die sich dafür interessieren, wie ein solcher Test ablaufen kann, stelle ich hier mal zwei mögliche Aufgaben ein:

1) Lese einer Person ruhig und deutlich die folgenden 15 Begriffe vor:

Apfel, Flugzeug, Schreibmaschine, Vater, Tee, Hund, Vorhang, Berg, Glocke, Möhre, Reise, Kind, Zirkus, Pferd, Zigarre.

Nun bittest du die Person nach einer, nach zwei und und nach drei Minuten jeweils, alle dieser 15 Begriffe aufzuzählen, an die sie sich noch erinnern kann.

2) Als nächtes bittest du die zu testende Person, innerhalb von zwei Minuten möglichst viele Begriffe zu nennen, die mit dem Buchstaben F beginnen. Eigennamen wie bspw. Fabian, Florian oder Fabienne zählen nicht.

(Die Aufgaben kann man natürlich auch mit anderen Begriffen, mit Zahlen und mit anderen Anfangsbuchstaben durchführen.)

Für den gestrigen Morgen war ein Kräftemessen mit Darth Vader angesetzt worden. Kaum kam ich auf meinem Ross angeritten und stieg ab, zückte er sein Laserschwert und es kam zu einem ungleichen Duell, da mir das Mitbringen einer Waffe strengstens untersagt worden war. Folglich ging ich während des Kampfes des Öfteren zu Boden, habe aber am Ende mein Gesicht wahren und die Gefahrenzone relativ unbeschadet verlassen können.

Quark. Schmarrn. Bei der Überprüfung des Augenhintergrundes auf Kupfereinlagerungen (Kayser-Fleischer-Ring, Morbus Wilson lässt grüßen) wurde Ende letzter Woche ein kleines Loch in der Netzhaut meines rechten Auges gefunden. Mithilfe einer Laser-Behandlung (der sog. Photokoagulation) hat man nun dafür gesorgt, dass das Risiko einer akut auftretenden Netzhautablösung mit der Zeit nicht immer weiter ansteigt. Natürlich muss ich das Auge sicherheitshalber von Zeit zu Zeit anschauen lassen, aber das nehme ich dafür in Kauf.

Ein absolutes Highlight stand gestern ins Haus: ein Besuch der Neurourologie in Heidelberg-Schlierbach. Einmal pieseln bitte! Ich wurde für lau mit dem Taxi dorthin und auch wieder retour gefahren und ich tippe mal, die Taxifahrer haben sich schon die Lebensgeschichte des ein oder anderen Patienten ans Ohr tackern lassen. War aber alles halb so wild. Ich werde in ein paar Tagen nochmal dort vorbeischneien, um eine urodynamische Messung durchführen zu lassen. Anhand der Ergebnisse dieser Untersuchung kann man dann beurteilen, ob ich den Toilettengang zur Not noch etwas aufschieben kann (falls mir das gelingt) und ab wann das Ganze anfängt, sich bei zu hohen Drücken in Richtung der Harnleiter zurückzustauen und damit irgendwann die Nieren zu schädigen.

Auch heute habe ich wieder fleißig die angesetzten Termine abgearbeitet. Zunächst habe ich bei der Physiotherapie die Knochen durchgeschüttelt. Etwas darauf war ich bei einer Ultraschall-Untersuchung der Leber, für die ich bis zu diesem Zeitpunkt nüchtern zu sein hatte. Mittags stand schließlich noch eine Messung meiner Kreislaufregulationsverhältnisse auf dem Kipptisch auf dem Programm. Speziell diese Untersuchung hatte ich mir unangenehmer vorgestellt, als sie letzten Endes war. Es ging lediglich einmal aus dem Liegen in den Stand hoch. Dabei wurde ich aber nicht ohnmächtig und nassgemacht habe mich auch nicht.

Für Morgen wurden inzwischen das IBZM-Spect und der L-Dopa-Test angesetzt. Ich bin schon gespannt, was dabei herauskommt und hoffe, dass meine Symptomatik gut auf das L-Dopa anspricht. Des Weiteren ist der Herr Professor, der mich heute im Rahmen der Visite besucht hat, der Ansicht, ich sei möglicherweise ein Kandidat für einen Hirnschrittmacher. Ich denke, im Laufe der Zeit wird sich zeigen, was für mich das Beste sein wird. Ich bin da guter Dinge!

Abends wird aus dem Bereich, der von den einzelnen Flügeln der Klinik eingeschlossen wird, ein großer Froschtümpel. Zumindest klingt es so. Ich habe noch nicht herausgefunden, ob das Gequake echt ist oder vom Band kommt. Jedenfalls stimmen ab ca. 21 Uhr gefühlt mehrere dutzend oder mehr Frösche ein nicht zu überhörendes Froschkonzert an und versuchen sich dabei scheinbar gegenseitig in ihrer Lautstärke zu überbieten. Mir ist das erst vor kurzem aufgefallen, und falls die Froschkönige tatsächlich echt sind, gefällt mir ihr Froschrap wirklich gut!

Jetzt werde ich mich unter die wohlverdiente Brause stellen und später lauschen, ob Kermits Kollegen heute nur vor auserwähltem Publikum musizieren, oder ob der Frosch-Flashmob wieder eine große Open Air-Aufführung  gibt.