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Montag, 31. März 2014

Das Haus, das Verrückte macht


Es gibt nicht unbedingt gute Nachrichten.

Mein bisheriger Zimmernachbar wurde Freitagmittag vom ASB abgeholt und in eine andere Klinik verlegt. Nachdem ich mich sehr über meinen Single-Status gefreut hatte, habe ich seit Freitagabend einen neuen Mitbewohner in meinem Zimmer liegen.

Er ist etwas über 60 Jahre alt, an Krebs erkrankt, erhält derzeit eine Chemotherapie mitsamt Bestrahlungen und hat vor einigen Tagen daheim einen Schlaganfall erlitten (seinem Bericht zufolge tippe ich mal auf eine Transitorisch ischämische Attacke).

Verständlicherweise wirkt er nun ziemlich mitgenommen und hadert, dass ihn das Schicksal erneut auserkoren und ihm derbe eine reingebrezelt hat. Das kann ich ihm nachfühlen und er tut mir leid.

Bei seiner Ankunft hat er mir unter anderem erzählt, er habe bis vor kurzem gerne auf kleinen Orgeln gespielt. Doch durch den Apoplex sei seine rechte Hand in ihrer Beweglichkeit zurzeit stark eingeschränkt und somit an das Orgeln im Moment nicht zu denken. Ich dachte mir noch: ´Schönes Hobby! Und jetzt geht es ab jetzt bergauf und ich kann mal eine Nacht durchschlafen.´ Aber weit gefehlt!

In der Nacht von Freitag auf Samstag vernahm ich gegen 4 Uhr ein recht lautes Rufen. "Hallo, hallo!?" Ich drehte den Kopf in seine Richtung. "Ja bitte?" Antwort: "Können Sie mal läuten?" Also habe ich nach dem Nachtpfleger geklingelt und mich danach wieder umgelegt. Und wohl auch noch etwas geschlafen.

Seit dem Frühstück am Samstagmorgen sitzt er auf seiner Bettkante oder liegt im Bett und unterhält sich mit sich selbst. Dabei dreht er gelegentlich die Finger der einen Hand um die Finger seiner anderen Hand. Und ich am Rad!

Daher schnappe ich mir inzwischen regelmäßig meinen Laptop mitsamt der Kopfhörer meines MP3-Players und verkrieche mich mit einer Flasche Wasser in ein kleines Eck hinter dem Schwesternstützpunkt.

Bitte versteht mich nicht falsch. Ich kann mich wirklich gut in ihn hineinversetzen und wünsche ihm von Herzen alles erdenklich Gute. Dass seine Situation nicht einfach ist, ist doch klar.

Aber was für mich persönlich ganz entscheidend ist: Ich habe in der Zeit, in der ich nun hier auf Station bin, nicht eine Nacht durchschlafen können. Und das lag bisher noch nicht ein Mal an mir selbst! Je weniger bzw. je schlechter ich schlafe, desto bescheidener steht es am nächsten Tag um meine Psychomotorik und um meine körperlichen Fähigkeiten! Langsam gehe ich echt am Stock. Einerseits bin ich tagsüber des öfteren stehend k.o., andererseits aber durch den starken Kaffee hier gleichzeitig aufgedreht und hippelig.

Aber kommen wir mal zu mir als Patient:


Ich habe am Samstag bei der morgendlichen Visite des Assistenzarztes die MRT-Aufnahmen vom Mittwochabend angesprochen. Im Vergleich zu den Aufnahmen aus München vom April 2012 habe sich ja angeblich nichts verändert bis auf eine nachweisbare kleine Anomalie im Hirnstamm, die aber nicht als charakteristisch für eine bestimmte Erkrankung zu werten sei. Es scheint also keine im MRT nachweisbare cerebrale Atrophie zu geben, sagte der angehende Neurologe, was ich natürlich wohlwollend zur Kenntnis genommen habe.

Laut seiner Aussage ist der gemessene Wert des Coeruloplasmins (ein Eiweiß, u.a. mit Bindungs- und Transportfunktion für Kupfer) in meiner Blutprobe nachweisbar erniedrigt gewesen. Und obwohl der Augenhintergrund bei der Untersuchung am Freitag frei von Kupferablagerungen war, darf der Morbus Wilson im ´Ja was hat der Kümmelspalter eigentlich?´-Spiel wieder mitspielen als möglicher Auslöser meiner Beschwerden. Obwohl der Augenhintergrund diese Ablagerungen inzwischen hätte aufweisen müssen, da ich mittlerweile seit mehr als zwei Jahren parkinsonoide Symptome zeige. Was weiß denn ich!?

Auch der DAT-Scan war nochmals Thema. Da auf der einen Seite meines Gehirns die vor der Untersuchung applizierte radioaktive Substanz scheinbar deutlich schlechter verarbeitet wurde, weist dieses Ergebnis laut der Aussage des Arztes auf eine Erkrankung aus dem Formenkreis des Morbus Parkinson hin. Das ist doch zumindest mal eine greifbare Ansage!

Auf meine Frage, ob man mich aufgrund meines chronischen Spannungskopfschmerzes nicht in die neurologische Schmerzambulanz hier im Haus schicken könne bekam ich die Auskunft, dass man mir eher eine Kopfschmerz-Ambulanz (wie z.B. diejenige in Essen) empfehlen würde. Irgendwie kann ich mir aber nicht wirklich vorstellen, dass die Heidelberger da weniger fähig sind. Und da ich keine Pflegestufe habe, bezahlt mir meine Krankenkasse meines Wissens auch kein Zugticket nach Essen. Wer da etwas Gegenteiliges weiß, darf mich das gerne wissen lassen. Ich freue mich über jede Info!.


Auch auf meine Anfrage, ob man mir in der Anästhesie nicht Ropivacain subcutan gegen meine zum Teil sehr schmerzhaften Nacken-Schulter-Verspannungen verabreichen könne, bekam ich eine eher zögerliche Antwort. Man müsse erst einmal klären, was der Auslöser der Verspannungen sei. Des Weiteren hätte man hier auf Station mit dem Thema ´Ropivacain subcutan´ noch nicht besonders viel Erfahrung. Dass mein Schmerztherapeut mir die Substanz bereits zweimal unter die Haut gespritzt hat und dass das die bisher einzige Maßnahme war, die eine spürbare Besserung brachte, hat ihn scheinbar nicht sehr beeindruckt. Naja, was soll´s!? Ich werde mir diese Möglichkeit auf jeden Fall warm halten, falls die Verspannungen zu schmerzhaft werden.

Das IBZM-Spect wird nicht vor dem kommenden Donerstag laufen. Somit läuft der L-Dopa-Test nicht vor dem darauffolgenden Montag, weil man den erst nach der Spect-Untersuchung machen möchte. Was wiederum bedeutet, dass ich noch mindestens bis zum 08.04. im Haus zu Gast sein darf, das Verrückte macht.

Was mir gerade einfällt: Ich muss noch den Passierschein A 38 beantragen. Vorher komme ich hier eh nicht raus! Aber das ist nur eine Formalität verwaltungstechnischer Art! Ich will ja schließlich keine Galeere eintragen lassen, und zum Hafen muss ich auch nicht! Übrigens wird sich jeder, der Asterix und Obelix mag, an das Haus, das Verrückte macht, erinnern können. Oder?

In meinem 24 Stunden-Urin wurde ein Bakterium gefunden, welches nicht wirklich in meine Harnblase hineingehört. Inzwischen bekomme ich mit zweimal 500 mg Ciprofloxacin pro Tag das passende Antibiotikum dazu und bin froh, dass bislang keine (gastrointestinalen) Nebenwirkungen aufgetreten sind.

Am Samstag Nachmittag kamen meine Mutter und mein Stiefvater hier vorbei und haben mich abgeholt. Wir haben in Viernheim Hundewelpen angeschaut, die Sam als Hundepapa vor einiger Zeit gezeugt hat. Zu goldig die kleinen Hündchen! Das Dokument, dass ich das Haus für ein paar Stunden auf eigene Verantwortung verlassen kann, hatte ich natürlich auf Station unterschrieben.

Da ich wohl noch mind. eine Woche hier zu Gast sein werde, lohnt es sich durchaus, mich zu besuchen. Wer das tun mag, möge mich bitte vorher anrufen oder mir im Voraus schreiben. Nicht, dass ich da gerade bei einer Untersuchung oder sonstwo bin.


Das soll es für den Moment mal gewesen sein. In ein paar Stunden dürfte es wieder was zu beißen geben. In den letzten Tagen habe ich einen derartigen Kohldampf entwickelt, dass ich mir öfter auch zwischendurch mal was an die Kauleisten heften muss. Die Qualität des Essens ist hier übrigens durchaus akzeptabel.